Infektiologe fordert angesichts kritischer Corona-Lage "Sofortbremse"

Infektiologe fordert angesichts kritischer Corona-Lage "Sofortbremse"
29.11.2021
epd
epd-Gespräch: Daniel Behrendt

Hannover (epd) Der Infektiologe Matthias Stoll hält die aktuellen Corona-Maßnahmen für "vollkommen unzureichend", um die vierte Welle zu brechen. "Eine Quote von rund 70 Prozent doppelt Geimpften und die derzeitigen 3G-, 2G- und 2G-plus- Regelungen sind längst nicht genug", sagte Stoll dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover forderte einen schnellstmöglichen Verzicht auf Massenveranstaltungen sowie auf öffentliche Angebote, die jetzt nicht unbedingt notwendig seien. „Fußballspiele vor Publikum und Weihnachtsmärkte gehören definitiv dazu“, sagte Stoll.

Die 2G-plus-Regelung - also geimpft oder genesen und zusätzlich getestet - bezeichnete Stoll als „ein mit hohem Aufwand geschwungenes, aber stumpfes Schwert“. Das „Plus“ basiere auf Antigen-Schnelltests, die zu ungenau seien, um unter Genesenen und Geimpften zuverlässig Infizierte herauszufiltern. „2G plus erzeugt eine trügerische Sicherheit“, mahnte Stoll. In immer mehr Geschäften und Einrichtungen gilt die 2G-plus-Regelung.

Der Infektiologe kritisierte zudem die kürzlich vollzogene Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite. „Ich kann nicht erkennen, dass eine solche Situation hinter uns liegt“, sagte der Spezialist für Infektionskrankheiten.

Um aus einer exponentiellen Entwicklung der Fallzahlen und einer „Dauerschleife von coronabedingten Einschränkungen“ herauszukommen, helfe am wirksamsten eine massive Steigerung der Impfquote. Doch selbst, wenn es zeitnah gelänge, einen Großteil der Impfskeptiker zu überzeugen, würden weitere Wochen verstreichen, bis der Impfschutz greife. Deshalb müsse zusätzlich eine „Sofortbremse“ her, forderte Stoll. „Das Mindeste wäre eine zeitnaher, starker Appell, jetzt freiwillig seine Kontakte deutlich einzuschränken und die Abstands- und Hygieneregeln wieder konsequent zu befolgen.“

Zusätzliche Unsicherheit bringe die neue Omikron-Variante des Coronavirus. „Omikron scheint noch ansteckender zu sein als die Delta-Variante“, sagte Stoll. „Wir haben aber bereits seit Juli 2021 zu wenig gegen Delta getan - aufgrund der dafür offenkundig unzureichenden Maßnahmen. Die Omikron-Variante könnte womöglich rasch zusätzliche Dynamik bringen“, warnte Stoll.