Celle (epd). Die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten startet ein neues Forschungsprojekt zum Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden. Dazu sollten historische Quellen ebenso ausgewertet werden wie öffentlich zugängliche Materialien, sagte die Historikerin Diana Gring von der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen bei Celle am Donnerstag. „Außerdem spielen Interviews mit Überlebenden eine große Rolle.“
Die Stiftung gab das Projekt „Ferman“ (im Sprachgebrauch der Jesiden: „Völkermord“) symbolisch am „Internationalen Gedenktag gegen Gewalt an Frauen“ (25. November) bekannt. Geplant seien unter anderem Workshops mit überlebenden Frauen, die vom IS verschleppt und versklavt wurden und mittlerweile in Deutschland leben, erläuterte Stiftungsmitarbeiterin Leyla Ferman. „Wir hoffen, diese Frauen als Zeitzeuginnen gewinnen zu können.“
Die promovierte Politologin Ferman leitet gemeinsam mit Gring das Projekt, das bis Ende 2023 von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, der Lotto-Sport-Stiftung und der Stiftung Niedersachsen gefördert wird. Sie arbeiten dabei mit dem Verein „Women for Justice“ zusammen, der Frauen unterstützt, die in IS-Gefangenschaft waren.
Im August 2014 hatte die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) im Irak und in Syrien jesidische Siedlungen angegriffen, Tausende Männer getötet, Frauen und Kinder verschleppt. Die Jesiden blickten auf eine lange Geschichte der Verfolgung zurück, sagte Ferman. In der jesidischen Kultur seien Namen nach prägenden Ereignissen entstanden. Dies gelte auch für ihren Familiennamen Ferman. Er bedeute Dekret, Erlass oder eben Völkermord, erläuterte die in Celle aufgewachsene Wissenschaftlerin mit kurdisch-jesidischen Wurzeln.
Celle gehörte nach ihren Angaben bis 2014 zu den Regionen mit den meisten Jesiden in Deutschland. Viele von ihnen seien als Gastarbeiter in den 1960er Jahren gekommen. Schätzungsweise lebten mittlerweile rund 200.000 Jesidinnen und Jesiden in Deutschland. Ihre Zahl habe sich mit den Flüchtlingen vor dem IS-Terror 2014 in etwa verdoppelt.