Düsseldorf (epd). Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Susanne Schreiber, hält eine allgemeine Impfpflicht angesichts der sich zuspitzenden Corona-Lage für möglich. Diese berge zwar die Gefahr, durch ihren bevormundenden Charakter die freiwillige Akzeptanz von Impfungen zu senken, sagte Schreiber der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Mittwoch). „Im Moment können wir jedoch nicht ignorieren, dass sich die pandemische Lage massiv zuspitzt. Wenn Krankenhäuser und Intensivstationen aufgrund der Überlastung ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können, müssen wir eingreifen - zum Schutz des Klinikpersonals und zum Schutz unser aller Gesundheit.“
Je nach Dramatik der Lage könnten unter solch schwierigen Umständen dann „auch gesetzliche Vorgaben zu Impfverpflichtungen - gegebenenfalls gestaffelt nach Gefährdung - aus ethischer Sicht nicht mehr grundsätzlich abgelehnt werden, um das Pandemiegeschehen langfristig in den Griff zu bekommen“, sagte Schreiber.
Der TV-Sendung „RTL Direkt“ sagte Schreiber, die als Professorin für Neurophysiologie an der Humboldt-Universität Berlin tätig ist, auch die bisher ablehnende Haltung des Ethikrats zur allgemeinen Impfpflicht ändere sich gerade. Noch habe den Ethikrat zwar keinen Auftrag von Bundestag oder Bundesregierung erreicht, sich offiziell mit der Impfpflicht zu beschäftigen. „Wir haben das im Rat noch nicht ausführlich diskutiert, aber die Zeichen stehen auf Umbruch, im Sinne von: Noch mal eine ganz ausführliche Diskussion“, sagte Schreiber.
Am Mittwochmorgen meldete das Robert Koch-Institut 66.884 bestätigte Neuinfektionen. Die Zahl der neuen Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen stieg auf 404,5. 335 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus, die Zahl der Corona-Toten in Deutschland erhöhte sich damit auf 99.768.
Die Hospitalisierungsinzidenz beträgt bundesweit derzeit 5,6. Der Wert gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche mit Covid-19 in ein Krankenhaus eingewiesen wurden. Die Hospitalisierungsinzidenz ist entscheidend für die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in den jeweiligen Bundesländern.
Aktuell sind laut Daten RKI insgesamt 68 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Covid-19 geimpft, 70,6 Prozent mindestens einmal. Die geringe Impfquote gilt als ein Grund für das Ausmaß der vierten Welle der Pandemie.