München (epd). Fast jeder zweite Deutsche hat einer Umfrage zufolge noch nie Kontakt mit jüdischem Leben gehabt. So gaben 46 Prozent der Befragten an, noch nie direkt mit jüdischem Leben in Deutschland in Berührung gekommen zu sein, teilte die Conference of European Rabbis (CER) am Montag in München mit. Die Umfrage wurde im Auftrag der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD) und der Hanns-Seidel-Stiftung anlässlich des Festjahrs 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland vom Meinungsforschungsinstitut Civey erstellt.
Rund ein Achtel der Befragten gab an, jüdische Freunde und Bekannte zu haben (16,6 Prozent), schon eine Synagoge besucht zu haben (17,9 Prozent) sowie in der Schule etwas über jüdisches Leben erfahren zu haben (18,7 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) verbinden jüdisches Leben am ehesten mit politischen und historischen Ereignissen und weniger mit positiven Beiträgen von Juden zu Kunst und Kultur (8,9 Prozent) oder Wissenschaft (3,5 Prozent).
Im Fokus der Wahrnehmung jüdischen Lebens in Deutschland stehen der Holocaust (19,5 Prozent), Antisemitismus und Angriffe auf Juden (14,2 Prozent) sowie die Politik im Nahen Osten und Israel (21,9 Prozent). Dass nur so wenige Menschen Berührungspunkte mit jüdischem Leben hätten, sei „ein trauriges Ergebnis“, erklärte der ORD-Vorstand. Es zeige, dass etwa in Schulen, Bildungseinrichtungen und Medien mehr über den Beitrag von Juden zur Gesellschaft vermittelt werden müsse. Das sei zentral, um Vorurteile abzubauen, damit Unwissenheit nicht länger in Antisemitismus umschlage.
Das Meinungsforschungs-Institut Civey hat vom 4. bis 8. November 10.000 Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) umfasst 55 Mitglieder. Das Rabbinat für Deutschland mit Sitz in Köln wurde 2003 als Organ des Zentralrates der Juden gegründet mit dem Ziel, sich für das jüdische Leben sowie Erhalt jüdischer Tradition einzusetzen.