Frankfurt a.M. (epd). Angesichts weiter steigender Corona-Zahlen mehren sich eindringliche Impf-Aufrufe und Forderungen nach weiteren einschneidenden Maßnahmen. Das Hauptproblem in der vierten Welle sei, dass sich nicht mehr Menschen aus der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen impfen und mehr Ältere boostern ließen, sagte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstag). Vor allem mit Blick auf die künftige Entwicklung mahnte er Impfungen an: Er gehe zwar davon aus, dass die derzeitige Auffrischungs-Kampagne keinen schnellen Erfolg erzielen werde. Aber langfristig werde das helfen.
Mertens rechnet nach eigenen Worten mit einer fünften Corona-Welle. „'Wie stark diese ausfällt, hängt maßgeblich davon ab, wie viele Menschen sich impfen und boostern lassen“, sagte der Virologe.
Das Schließen „der unverändert bestehenden Impflücke bei den Erwachsenen“ sei ein entscheidendes Element, um auch die vierte Corona-Welle zu brechen, betonte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, in der „Rheinischen Post“ (Samstag). „Denn es sind vor allem die ungeimpften älteren Erwachsenen, die mit schweren Verläufen in den Kliniken liegen und hier zu zunehmenden, regional unterschiedlich ausgeprägten Engpässen führen.“
Am Samstag meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 63.924 bestätigte Neuinfektionen und 248 weitere Todesfälle. Damit sind bislang in Deutschland schon 98.987 Corona-Tote erfasst. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen stieg auf einen neuen Rekordwert von 362,2. Die Hospitalisierungsinzidenz - also die Zahl der Krankenhaus-Einweisungen von Corona-Patienten innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner - gab das RKI mit 5,34 an.
Um die aktuelle Welle zu brechen, hält die Ärztegewerkschaft Marburger Bund die neuen Maßnahmen des geänderten Infektionsschutzgesetzes für unzureichend. Der Verband fordert unter anderem den Verzicht auf Großveranstaltungen, etwa auf Fußballspiele in voll besetzten Stadien. „Wir haben in Deutschland viel zu lange wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt und uns nicht bewegt, so dass jetzt kleinere Bewegungen leider nicht mehr reichen“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna der „Rheinischen Post“ (Samstag).
„Konkret heißt das: Die jetzt neu beschlossenen Maßnahmen werden nicht ausreichen, um die vierte Welle zu brechen, insbesondere nicht in Bundesländern wie Sachsen und Bayern mit sehr hohen Inzidenzen und Krankenhausbelegungen“, erklärte Johna. In diesen Ländern seien weitere Schritte wie strengere Kontaktbeschränkungen unabwendbar. „Weniger Kontakte heißt weniger Infektionen“, sagte Johna. Damit die neu beschlossenen Maßnahmen Wirkung zeigen könnten, forderte sie engmaschige Kontrollen.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach wies Deutschlandfunk darauf hin, dass die Maßnahmen erst nach einem gewissen Vorlauf greifen könnten - und auch nur, wenn sie streng kontrolliert würden. Zunächst würden die Infektionszahlen dennoch weiter steigen. „Wir werden in den nächsten Wochen in eine wirklich schwierige Situation kommen“, mahnte Lauterbach.