Berlin (epd). Der Bundestag hat nach einer kontroversen und engagierten Debatte die Corona-Maßnahmen auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. Das Parlament stimmte am Donnerstag in Berlin den von SPD, Grünen und FDP eingebrachten Änderungen am Infektionsschutzgesetz zu. Abgeordnete der möglichen künftigen Ampel-Koalition verteidigten ihr Gesetz. Unionspolitiker warfen den künftigen Koalitionären vor, sie beschnitten in der bisher schlimmsten Phase der Corona-Pandemie die Handlungsmöglichkeiten der Bundesländer.
Damit das Gesetz der Ampel-Fraktionen in Kraft treten kann, muss an diesem Freitag auch der Bundesrat zustimmen. Vor dem Hintergrund täglich neuer Höchstwerte bei den Infektionen wollten am Mittag die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Beratungen über die Corona-Lage zusammenkommen.
Dem vom Bundestag nun verabschiedeten Gesetz zufolge soll die epidemische Lage von nationaler Tragweite am 25. November auslaufen und durch einen bundesweiten Maßnahmenkatalog ersetzt werden. Er enthält neben bekannten Maßnahmen wie der Maskenpflicht, Abstands- und Hygieneregeln auch neue Eingriffe. Dazu zählen die 3G-Regel am Arbeitsplatz und im öffentlichen Verkehr und die Testpflichten für Heime und Gesundheitseinrichtungen. Den Bundesländern wird zugleich die Möglichkeit genommen, flächendeckende Schließungen anzuordnen, um neue Infektionen zu verhindern.
Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Stephan Stracke nannte die Gesetzesänderungen „verantwortungslos“. Sie würden der dramatischen Corona-Lage nicht gerecht. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar verteidigte die Neuregelungen: „Wir reagieren mit rechtssicheren und notwendigen Maßnahmen auf die äußert schwierige Corona-Lage“, sagte sie. Neben den bewährten Maßnahmen wie Maskenpflicht, Abstands- und Hygieneregeln würden „2G plus“-Regelungen, bei denen nur Geimpfte und Genesene mit zusätzlichem negativen Corona-Test Zugang erhalten, rechtssicher gemacht. Dazu kämen Regeln für einen beschränkten Zugang im öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie 3G am Arbeitsplatz. Eine Verlängerung der epidemischen Lage wäre hingegen verfassungsrechtlich fragwürdig, sagte Dittmar.
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, betonte die Entschlossenheit der möglichen Ampel-Koalitionäre, die Pandemie zu bekämpfen. „Wir haben effektive Maßnahmen“, sagte Buschmann an die Union gerichtet: „Behaupten Sie nicht das Gegenteil.“ Dass sie auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt würden, bedeute nicht, dass Corona vorbei sei, im Gegenteil. Er forderte die Union auf, sich ehrlich zu machen. Wenn sie weiterhin Ausgangssperren, Schul- oder Geschäftsschließungen wolle, solle sie das auch so deutlich sagen.
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei (CDU) erklärte, seine Fraktion hätte dem Gesetz der künftigen Ampel zustimmen können, wenn die aus seiner Sicht „unverzichtbare“ Corona-Notlage verlängert worden wäre. Er gestand SPD, Grünen und FDP aber zu, in der zurückliegenden Beratungswoche viele der Vorschläge der Union in das Gesetz aufgenommen und es deutlich verschärft zu haben.
Die AfD lehnte das Gesetz ab. Der Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla warf den Ampel-Fraktionen vor, mit der „panischen Corona-Politik“ der großen Koalition weiterzumachen, die Bevölkerung zu spalten und die Ungeimpften zu Sündenböcken für die Lage im Land zu machen. AfD und Union votierten aus unterschiedlichen Gründen gegen das Gesetz, die Linke enthielt sich der Stimme. Die Union scheiterte mit einem Antrag auf die Verlängerung der Corona-Notlage.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen meldeten die Gesundheitsämter binnen 24 Stunden 65.371 neue Ansteckungen mit dem Coronavirus. Das ist erneut ein Höchstwert seit Beginn der Pandemie zu Beginn des vergangenen Jahres. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Infektionen bezogen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche angibt, erhöhte sich bundesweit auf 336,9 - nach 319,5, am Mittwoch.