Berlin (epd). Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen schränken immer mehr Bundesländer das öffentliche Leben für Menschen ein, die weder geimpft noch nach einer Covid-Erkrankung genesen sind. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte am Dienstag für sein Bundesland die Einführung der 2G-Regelung im Freizeitbereich ein. In Situationen mit besonders hohem Infektionsrisiko soll sogar „2G plus“ gelten. Geimpfte und Genesene brauchen dann für den Zugang zu einer Einrichtung zusätzlich einen Corona-Test. Gelten soll die Vorsichtsmaßnahme Wüst zufolge auch für Karnevalssitzungen und -feiern sowie für Weihnachtsmärkte.
In Thüringen soll ebenfalls der Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen, Gaststätten, Frisör-Salons sowie Sportstätten für diejenigen nicht mehr möglich sein, die nur einen Negativ-Test vorweisen können. Eine Ausnahme gilt für Heranwachsende, wie Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nach der Kabinettssitzung in Erfurt sagte. Ferner sollen - ebenso wie zum Beispiel in Bayern - Gottesdienste von der Regelverschärfung ausgenommen sein.
In Berlin wurde die 2G-Regel bereits am Montag ausgeweitet, in Bayern am Dienstag, Baden-Württemberg wollte am Mittwoch nachziehen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich im ZDF-„Morgenmagazin“ für eine flächendeckende 2G-Regelung in Deutschland aus.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Dienstagmorgen meldeten die Gesundheitsämter binnen 24 Stunden mehr als 32.000 neue Ansteckungen mit dem Coronavirus. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Infektionen bezogen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche angibt, erhöhte sich bundesweit auf gut 312 von 303 am Montag. In Bayern liegt die Sieben-Tage-Inzidenz aktuell bei über 550. In Deutschland starben weitere 265 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus. Damit stieg die Zahl der Corona-Toten auf 97.980.
Am Donnerstag will die geschäftsführende Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ländern und Spitzenvertretern von FDP und Grünen über Möglichkeiten beraten, die Infektionslage wieder in den Griff zu bekommen. Am selben Tag steht im Bundestag die Verabschiedung des von SPD, Grünen und FDP geänderten Infektionsschutzgesetzes an. Das Maßnahmenpaket der Ampel soll sicherstellen, dass auch nach dem geplanten Auslaufen der epidemischen Lage nationaler Tragweite am 25. November Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus aufrechterhalten werden.
Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Gabriela Heinrich wies unterdessen darauf hin, dass weltweit Millionen impfwillige Menschen nach wie vor auf eine Möglichkeit warteten, sich impfen zu lassen. „Die Krise ist erst vorbei, wenn es überall genügend Impfstoff gibt“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Deswegen müsse die globale Corona-Impfkampagne der Weltgesundheitsorganisation (Covax) verstärkt gefördert werden. Nötig sei eine gerechtere Verteilung von Impfstoffen und das engagierte Mitwirken aller Akteure - sowohl der Regierungen, aber gerade auch der Produzenten. Dies nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit: „Jede Impfung, egal wo sie stattfindet, senkt das Risiko von Mutationen.“
Weiter diskutiert wird derweil über eine mögliche Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, lehnt eine Fokussierung auf Berufsgruppen ab, plädiert aber dafür, „einrichtungsbezogen“ vorzugehen. Im ZDF-„Morgenmagazin“ sagte sie, mit den vulnerablen Gruppen in Kliniken und Pflegeheimen hätten nicht nur Pflegende Kontakt, sondern etwa auch Angehörige, Reinigungskräfte und Küchenhilfen. Für diese sollte dann ebenfalls eine Impfpflicht gelten.
Aktuell sind nach Angaben des RKI 67,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Covid-19 geimpft, 70,1 Prozent mindestens einmal.