Glasgow (epd). Nach zweiwöchigen Verhandlungen haben sich die Staaten beim Weltklimagipfel auf einen verstärkten Kampf gegen die Erderwärmung verständigt. Der am Samstagabend verabschiedete „Glasgower Klimapakt“ ruft zur Abkehr von der Kohle auf - eine Premiere im Schlussdokument einer UN-Konferenz. Die Erklärung formuliert zudem deutlicher als das Pariser Klimaabkommen das Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einem „historischen Moment“. Der Weg zum globalen Ausstieg aus der Kohle sei geebnet und ein neues „wirtschaftliches Leitbild“ formuliert. UN-Generalsekretär António Guterres gab sich zurückhaltender und erklärte, es seien wichtige Fortschritte erzielt worden, sie reichten aber längst nicht aus: „Unsere zerbrechliche Welt hängt am seidenen Faden.“ Entwicklungsorganisationen kritisierten fehlende Hilfen für arme Staaten zur Bewältigung klimabedingter Schäden.
Im letzten Moment wurde auf Druck der Schwellenländer Indien und China die Textpassage zur Abkehr von der Kohle und von der Subvention fossiler Energieträger abgeschwächt. Statt von einem „Ausstieg“ aus der Kohleverstromung ist nun nur noch von einem „Herunterfahren“ die Rede. Der Passus war bereits in den vergangenen Tagen schrittweise verwässert worden und betrifft jetzt nur noch „ineffiziente“ Subventionen sowie Kohlekraft, bei der CO2 nicht mithilfe von CCS-Technologie gespeichert werden kann. Der Begriff „ineffizient“ ist nicht näher definiert.
Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, soll laut dem „Glasgower Klimapakt“ der Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 gedrosselt werden. Die Staaten werden aufgefordert, Ende 2022 verschärfte nationale Klimaziele für 2030 auf den Tisch zu legen. Die bisherigen Zusagen reichen bei weitem nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.
Für Streit hatte bis zuletzt die Frage gesorgt, wie besonders arme Staaten bei der Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten unterstützt werden sollen. Die Entwicklungsländergruppe G77 und Inselstaaten rückten am Samstagabend von ihrer Forderung ab, in Glasgow den Aufbau einer eigenständigen Finanzinstitution auf den Weg zu bringen, die dazu Mittel bereitstellen soll. Zusätzliches Geld wird den armen Staaten indes bei der Finanzierung zur Anpassung an den Klimawandel in Aussicht gestellt: Hier sollen die Mittel bis 2025 mindestens verdoppelt werden.
„Brot für die Welt“ sprach von einer „herben Enttäuschung“ für die Länder des Südens. Anstatt sich solidarisch zu zeigen, habe auch die EU den Vorschlag der G77-Staaten blockiert, beklagte die Klimareferentin des evangelischen Hilfswerkes, Annika Rach. Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig erklärte: „Es ist schon bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden.“
Auch der scheidende Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) übte Kritik. „Aus Sicht der Entwicklungsländer sind die Ergebnisse absolut unzureichend, zu kleinteilig und zu langsam“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag online). „Die Schäden und Folgen des Klimawandels und dringend notwendige Anpassungsmaßnahmen, der Aufbau erneuerbarer Energiestrukturen werden nur unzureichend unterstützt.“
Einigung wurde in Glasgow erzielt über die weitere technische Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Das betrifft unter anderem Regeln für einen grenzübergreifenden Emissionsrechtehandel. Der deutsche Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth hob hervor, dass dabei nun Schlupflöcher und Doppelverbuchungen ausgeschlossen seien. Die Verhandlungen dazu waren komplex: Es ging beispielsweise darum sicherzustellen, dass beim grenzüberschreitenden Handel mit Emissionszertifikaten die erzielte Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes nicht zwei Ländern zugleich auf die Klimabilanz angerechnet wird.