Spahn gegen Impfpflicht für Pflegekräfte - Verbände zunehmend dafür

Spahn gegen Impfpflicht für Pflegekräfte - Verbände zunehmend dafür
Die rasant steigenden Infektionszahlen gefährden auch geimpfte Menschen, insbesondere die Alten. Es mehren sich die Stimmen, das Pflegepersonal zur Impfung zu verpflichten. Die Regierung lehnt das bisher ab und setzt auf tägliche Tests.

Berlin (epd). Angesichts täglich neuer Höchststände bei den Corona-Infektionen verstärken sich die Forderungen nach strengeren Verhaltensregeln und Pflichtimpfungen für bestimmte Berufsgruppen. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich am Freitag in Berlin aber erneut skeptisch gegenüber verpflichtenden Corona-Impfungen für das Pflegepersonal. In den betroffenen Branchen findet die Einführung einer berufsbezogenen Corona-Impfpflicht hingegen zunehmend Unterstützung. Patientenschützer sprachen sich dagegen aus.

Spahn sagte auf der nun wieder wöchentlich stattfindenden Pressekonferenz zur Corona-Lage, für das Personal in Alten- und Pflegeheimen sowie Besucherinnen und Besucher brauche es dringend eine Testpflicht, „idealerweise täglich“. Das sei wichtiger als eine Impfpflicht, erklärte er. Die Tests für Personal und Besucherinnen waren von den Gesundheitsministern von Bund und Ländern beschlossen worden. Wer wie oft getestet wird, ist in den Ländern je nach Corona-Lage unterschiedlich.

Spahn sprach sich dafür aus, dass nur noch Geimpfte und Genesene, die sich zusätzlich tagesaktuell testen lassen, Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen bekommen. Er bezeichnete dies als „2G plus“. Wenn sich sein Vorschlag durchsetzen sollte, wären auch Geimpfte und Genesene wieder mit mehr Einschränkungen konfrontiert. In der kommenden Woche wollen die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen der Länder mit der noch amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Pandemielage beraten.

Ein breites Bündnis von Ärzten, Kliniken und Verbänden der Pflegekräfte spricht sich für eine berufsbezogene Corona-Impfpflicht aus. In einer gemeinsamen Erklärung begrüßten Bundesärztekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Pflegerat und der Verband medizinischer Fachberufe eine aktuelle Empfehlung des Ethikrats. Dieser rät zur Prüfung einer Impfpflicht für Personal, das Kontakt zu besonders gefährdeten Gruppen hat. Die Verbände versicherten, sie würden die Umsetzung unterstützen, wenn die Politik eine solche Impfverpflichtung einführe. Auch andere Organisationen, darunter Diakonie und Caritas, hatten zuvor eine berufsbezogene Impfpflicht nicht mehr strikt abgelehnt.

Patientenschützer warnten vor möglichen Auswirkungen auf die Versorgung Pflegebedürftiger. „Wer eine gesetzliche Impfpflicht fordert, hat zunächst zu klären, mit welchen Sanktionen Verweigerer belegt werden sollen“, erklärte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, am Freitag in Dortmund. Wenn Impfverweigerer entlassen würden, drohe eine weitere Verschärfung des Fachkräftemangels in der Pflege.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer erklärte, Personal in Einrichtungen mit besonders gefährdeten Menschen trage eine besondere Verantwortung dafür, sie keinen gesundheitlichen Gefahren auszusetzen. Mit einer Impfung schützten Beschäftigte nicht nur sich, sondern auch die Menschen, die sich ihnen anvertrauen. Zugleich verwies sie darauf, dass sich die Bundesregierung „ganz explizit“ gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen habe und stattdessen auf Argumente und Freiwilligkeit setze.

Die Corona-Infektionszahlen erreichen in diesen Tagen die höchsten Werte seit Beginn der Pandemie. Das RKI meldete am Freitag 48.640 Neuansteckungen mit dem Coronavirus. Die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche (Sieben-Tage-Inzidenz) lag bei 263,7. Insgesamt 67,4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind laut RKI-Daten vollständig gegen Covid-19 geimpft, 70 Prozent mindestens einmal.