Kassel (epd). Hartz-IV-Bezieher dürfen eine erhaltene Entschädigung wegen eines zu lange dauernden Rechtsstreits mit dem Jobcenter behalten. Entschädigungszahlungen wegen einer überlangen Verfahrensdauer sind nicht als Einkommen mindernd auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen, urteilte am Donnerstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. (AZ: B 14 AS 15/20 R)
Vor Gericht war eine erwerbsgeminderte Hartz-IV-Bezieherin aus dem niedersächsischen Holzminden gezogen. Die Frau hatte sich ursprünglich mit dem Jobcenter gerichtlich um die Höhe der zu übernehmenden Unterkunftskosten gestritten. Da das Verfahren viel zu lange dauerte, klagte sie auf eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.
Die gesetzlichen Regelungen sehen hier für jeden Monat Verzögerung für Erwachsene eine staatliche Entschädigung in Höhe von 100 Euro pro Monat vor. Das Verfahren endete in einem Vergleich. Die Hartz-IV-Bezieherin erhielt im Mai 2017 insgesamt 3.000 Euro gutgeschrieben.
Von der Entschädigung wollte auch das Jobcenter profitieren. Die Entschädigungszahlung sei als Einkommen mindernd zu berücksichtigen. Die Behörde hob den Arbeitslosengeld-II-Bescheid für den Zeitraum Juni bis September 2017 auf und forderte rund 805 Euro von der Klägerin zurück.
Das BSG urteilte, dass die Einkommensanrechnung der Entschädigungszahlung wegen überlanger Verfahrensdauer rechtswidrig ist. Zwar müsse in der Regel jede Geldzahlung als Einkommen berücksichtigt werden. Leistungen die wegen „öffentlich-rechtlicher Vorschriften“ zu einem bestimmten Zweck gezahlt werden, dürften jedoch nicht als Einkommen angerechnet werden.
Dazu zählte auch eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer. Diese habe den ausdrücklichen Zweck, die Folgen des überlangen Verfahrens abzumildern. Die Entschädigung diene der Wiedergutmachung und dürfe nicht auf die Hilfeleistungen angerechnet werden.