Berlin (epd). Der Verfassungsrechtler Udo Di Fabio hat sich besorgt über die Polarisierung der Gesellschaft in der Corona-Pandemie geäußert. „Es tauchen in neuem Gewand alte Muster wieder auf: eifernde Züge eines Glaubenskampfes, der Andersdenkende nicht als nur mehr Gegner, sondern als Feind betrachtet und mit Hass verfolgt“, sagte der 67-Jährige, der von 1999 bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht war, der „Welt am Sonntag“.
Es gäbe auch Anzeichen einer Identitätskrise. „Globale Themen und nationale Interessen stoßen aneinander. Neue Strategien der Identifikation, etwa Diversitätsmodelle, wollen für Toleranz werben, können aber, wenn sie kulturkämpferisch auftreten, zur Meinungsspaltung beitragen.“ Hinzu kämen noch die sozialen Netzwerke, welche die Blasenbildung erleichterten, so Di Fabio.
Der Jurist äußerte sich in diesem Zusammenhang auch zu der Künstleraktion #allesdichtmachen, die sich gegen die Corona-Abwehrmaßnahmen der Bundesregierung gewandt hatte. „Ich habe die Meinung der Künstler nicht geteilt, ihre Kampagne zeigte keine Urteilskraft und musste als zynisch empfunden werden. Doch die Kritik daran war teilweise ohne Maß, zielte in einigen Fällen auf die Personen oder sprach von 'Unverschämtheit', so als ginge es um Majestätsbeleidigung oder Unsittlichkeit“, sagte Di Fabio. Die Demokratie müsse gelassener mit anderen Meinungen umgehen.