Berlin (epd). Die niedergelassenen Ärzte haben an die Bundesregierung appelliert, sich mit eigenen Empfehlungen zu den Corona-Auffrischungsimpfungen zurückzuhalten. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte am Dienstag in Berlin, abweichende Empfehlungen verwirrten nur. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte könnten alle empfohlenen Impfungen verabreichen, wenn die Rahmenbedingungen stimmten, sagte Gassen.
Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, fügte hinzu, besonders dringend seien Auffrischungsimpfungen in Alten- und Pflegeheimen. Das Versagen aus den ersten Corona-Wellen dürfe sich nicht wiederholen, warnte Scherer. Unter den Corona-Toten sind überproportional viele alte Menschen aus Pflegeheimen.
Die Ärztevertreter forderten, dass bei den Auffrischungsimpfungen strikt nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) vorgegangen wird. Man brauche klare Ansagen und Übersicht, um die Impfungen in den Praxen durchführen zu können, betonte Gassen und wandte sich damit auch gegen Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der die sogenannten Booster-Impfungen generell empfohlen hatte und hofft, damit die vierte Corona-Welle zu brechen.
Stiko-Präsident Thomas Mertens sagte, dringend müssten zunächst die Menschen zum dritten Mal geimpft werden, deren Immunsystem nicht richtig funktioniert, außerdem die über 70-Jährigen. Beide Gruppen hätten ein erhöhtes Risiko, schwer zu erkranken. Weiter empfehle die Stiko Auffrischungsimpfungen für pflegerisches und medizinisches Personal sowie für Menschen, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft sind. Mertens sagte, ebenso wichtig sei aber, dass die rund 30 Prozent Ungeimpften noch immunisiert würden.
Demgegenüber halten die Gesundheitsminister Auffrischungsimpfungen schon für alle Über-60-Jährigen für sinnvoll. Die Stiko prüft eine solche Empfehlung Mertens zufolge noch. Gesundheitsminister Spahn hatte empfohlen, für die Auffrischungsimpfungen die Impfzentren wieder aufzumachen. Ärztepräsident Klaus Reinhardt stellte sich hinter den Vorstoß, in den Bundesländern und bei den niedergelassenen Ärzten stieß dieser hingegen auf Skepsis.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind aktuell zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Corona geimpft. Das sind 55,5 Millionen Menschen. Von den 24,1 Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind, sind den Angaben zufolge gut 85 Prozent vollständig geimpft. 2,1 Millionen Menschen haben dieser Statistik zufolge bislang eine Auffrischungsimpfung erhalten.