Berlin (epd). Eine Forderung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach einer Reaktivierung der Impfzentren für Corona-Auffrischungsimpfungen sorgt in den Bundesländern für Skepsis. Man sehe dafür keine Notwendigkeit, sagte ein Sprecher des Brandenburger Gesundheitsministeriums am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dort setze man auf ambulante und mobile Impfstrukturen, ergänzte er. Wie andere Ländervertreter auch verwies er zudem auf die gesunkene Nachfrage nach Corona-Impfungen. Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) erklärte am Montag in Dresden: „Wir haben die Impfzentren geschlossen, weil es keinen Bedarf mehr gab.“
Spahn hatte angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen angeregt, die Impfzentren wieder zu öffnen. „Um möglichst vielen möglichst schnell eine Auffrischungsimpfung zu ermöglichen, sollten die Länder die Impfzentren, die sie seit Ende September in Stand-By bereithalten, nun wieder startbereit machen“, sagte der geschäftsführende Minister der „Rheinischen Post“ (Montag). Ärztepräsident Klaus Reinhardt stellte sich hinter den Vorstoß. Im „Morgenmagazin“ des ZDF sagte er, es sei „gut und richtig“, die Impfzentren zu reaktivieren, um dort entsprechend der Altersgruppen die Booster-Impfungen geregelt vorzunehmen.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt allen Menschen ab 70 Jahren eine Corona-Auffrischungsimpfung, sobald die letzte länger als sechs Monate her ist, sowie für alle, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurden. Die Gesundheitsminister halten Auffrischungsimpfungen darüber hinaus auch schon für alle Über-60-Jährigen für sinnvoll. Ende der Woche kommen die Ressortchefs und -chefinnen der Länder und Spahn erneut zu einer Konferenz in Lindau zusammen. Dort soll es laut Spahns Ministerium um das Offenhalten der Impfzentren sowie das Einladungsmanagement für die sogenannten Booster-Impfungen gehen.
Die Impfzentren sollten zum Beginn der Corona-Impfungen den ordnungsgemäßen Gebrauch des Impfstoffs sowie die Priorisierung bei der Vergabe der damals noch knappen Dosen sicherstellen. Mit der Einbeziehung der Arztpraxen in die Corona-Impfungen verloren sie an Bedeutung.
Die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) kritisierte, es sei Spahn gewesen, der die Finanzierung der Impfzentren und die Belieferung der Länder mit Impfstoff zum 30. September eingestellt habe. Nun sei eine neue Struktur geschaffen worden, die bei Bedarf noch ausgebaut werden könne, begründete sie ihre Irritation über die Forderung, Impfzentren wieder zu öffnen.
In Berlin sind nach Angaben von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) noch zwei, in Bayern nach Auskunft des dortigen Ministeriums noch 81 Impfzentren als Basisstationen mit reduzierter Kapazität in Betrieb. Die Kapazität könne aufgestockt werden, hieß es aus München. Primär seien aber die niedergelassenen Praxen in der Verantwortung.
Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) will nach eigener Aussage für die Auffrischungsimpfungen zumindest kleinere in der Stadt verteilte Impfstellen weiter offen halten. Offensichtlich könne der niedergelassene Bereich nicht so viele Impfungen vornehmen, wie angekündigt und erwartet, sagte sie dem epd. Anders äußerte sich der Sprecher der niedersächsischen Ärztekammer, Thomas Spieker. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte hätten in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie die anstehenden Booster-Impfungen bewältigen könnten, sagte er.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind aktuell zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Corona geimpft. Das sind 55,5 Millionen Menschen. Von den 24,1 Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind, sind den Angaben zufolge gut 85 Prozent vollständig geimpft. Zwei Millionen Menschen haben dieser Statistik zufolge bislang eine Auffrischungsimpfung erhalten.