Genf (epd). Die neue Generalsekretärin des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrerin Anne Burghardt aus Estland, bezeichnet ihre Wahl als ermutigend für andere Frauen. „Viele Frauen in den Kirchen sehen nun, dass es für sie möglich ist, eine Leitungsfunktion einzunehmen“, sagte die Theologin Burghardt dem Evangelischen Pressdienst (epd) in Genf. Die 45-Jährige tritt das Amt der Generalsekretärin am Montag (1. November) als Nachfolgerin des Chilenen Martin Junge an.
Burghardt betonte, dass ihre Ernennung besonders für Frauen in vielen Kirchen des globalen Südens, aber auch in einigen Teilen Europas, ein Signal sei. „Die Frauen brauchen oft etwas mehr Zutrauen in ihre Fähigkeiten, wenn es um die Bewerbung für eine Leitungsposition geht. Auch ich selbst brauchte zunächst recht viel Ermutigung, als ich gefragt wurde, ob ich bereit wäre, mich für diese Position nominieren zu lassen.“
Gleichwohl sei es in den meisten evangelischen Kirchen West- und Nordeuropas sowie Nordamerikas selbstverständlich, dass Frauen und Männer sich gleichberechtigt um Positionen in der Kirche bewerben. Die Pfarrerin der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und Mutter von zwei Kindern hob hervor, dass Deutschland wie ein zweites Heimatland für sie geworden sei. Sie lobte das Engagement der lutherischen Kirchen in Deutschland für eine ganzheitliche Missionsarbeit, die sowohl Verkündigung als auch die diakonische Tätigkeit ernst nehme.
Der Rat des LWB hatte im Juni mit Burghardt erstmals eine Frau in die Position der Generalsekretärin gewählt. Burghardt setzte sich mit 28 zu 20 Stimmen gegen den Pfarrer Kenneth Mtata aus Simbabwe durch. Die Amtszeit beträgt sieben Jahre. Bei ihrer Wahl handele sich nicht um einen Sieg Europas und auch nicht um eine Niederlage Afrikas, sagte Burghardt. „Die afrikanische Stimme hat im LWB weiter einen großen Stellenwert und wird gehört.“ Sie erinnerte daran, dass LWB-Präsident Panti Filibus Musa Erzbischof der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria ist.
Burghardt betonte die Notwendigkeit der Solidarität der 148 Kirchen des LWB in der Corona-Krise. Die starken Mitglieder der Kirchengemeinschaft müssten den weniger starken helfen: „Die Schwestern und Brüder in Not dürfen nicht vergessen werden.“ Die Kirchen dürften nicht den Fehler vieler Staaten wiederholen, die in der Krise nur das Wohlergehen ihrer eigenen Bevölkerung im Blick hätten.
Sie nannte als Beispiel den sogenannten Impf-Nationalismus reicher Länder, die sich weit über den eigenen Bedarf mit Vakzinen eingedeckt hatten und für arme Länder zunächst kaum Impfstoffe übrigließen. Die Kirchen des 1947 gegründeten LWB vertreten rund 77 Millionen Christinnen und Christen in 99 Ländern. Die Zentrale befindet sich in Genf.