Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) fordert mehr Unterstützung für die häusliche Pflege. Es müsse mehr gefördert und gewürdigt werden, dass die größte Last in den Familien und im häuslichen Umfeld gestemmt werde, schrieb der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorwort zu der Grundsatzschrift zum Sozialstaat „Einander-Nächste-Sein in Würde und Solidarität“, die am Freitag in Berlin veröffentlicht wurde.
Am Beispiel von Inklusion und Pflege beschreibt die Schrift die Herausforderungen für die Sozialpolitik. Das Papier der Kammer der EKD für soziale Ordnung gibt Hinweise, woran sich die Unterstützung von Pflegebedürftigen und Menschen mit einer Behinderung orientieren sollte. Der Sozialstaat müsse dazu beitragen, dass sie sich „anerkannt und dazugehörig fühlen“, sagte der Ratsvorsitzende weiter, der auch bayerischer Landesbischof ist.
Maria Loheide, die im Vorstand der Diakonie Deutschland für Sozialpolitik zuständig ist, sagte mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen, das Sondierungspapier der möglichen Ampel-Koalitionäre werde den Herausforderungen in der Pflege noch nicht gerecht. Sie sei aber zuversichtlich, dass die Interessen der älteren Menschen von den möglichen Koalitionären berücksichtigt würden.
Loheide erläuterte, jede Leistungsverbesserung, zusätzliches Personal oder Qualitätsverbesserungen in der Pflege schlügen derzeit bei den Pflegebedürftigen zu Buche. Deshalb müssten die Eigenanteile begrenzt werden. Die große Koalition hat dazu einen ersten Schritt getan, indem die monatlichen Zahlungen von Heimbewohner sinken, je länger sie in der Einrichtung betreut werden. Die SPD strebte eigentlich eine Deckelung der Eigenanteile an. Zu einer Finanzierungsreform war es aber in der letzten Legislaturperiode nicht mehr gekommen.
Mit Blick auf die Löhne in der professionellen Pflege spricht sich die EKD für eine flächendeckende Tarifbindung aus, lässt aber offen, wie diese erwirkt werden soll. Private Anbieter lehnen einen Flächentarif in der Altenpflege ab. Anfang dieses Jahres war das mit der Bundesregierung verabredete Verfahren aber nicht an ihrem Widerstand, sondern am Veto der Arbeitgeberseite beim Caritasverband gescheitert. Die Schrift verweist lediglich darauf, dass die kirchlichen Gremien unabhängig entscheiden.
Eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung halten die Autorinnen und Autoren des Papiers für unumgänglich, um die Pflege langfristig zu finanzieren, dem Personalmangel zu begegnen und die Pflegebedürftigen sowie ihre Angehörigen zu entlasten. Die Unterstützung Pflegebedürftiger sollte so lange wie möglich im Lebensumfeld der Menschen geleistet werden, empfehlen sie und setzen dafür auf einen Mix von Angehörigen, Ehrenamtlichen sowie gemeinnützigen und privaten Pflegeanbietern. Sie warnen aber vor Fehlentwicklungen, wenn etwa Investoren Pflegeinrichtungen übernehmen, um Renditen für Geldanleger zu erzielen.
Die EKD-Publikation sieht die Gesellschaft vor großen Herausforderungen stehen. Auf die Alterung der Gesellschaft und die abnehmende unentgeltliche Familien- und Pflegearbeit von Frauen muss die Politik danach ebenso eine Antwort finden wie auf den Effizienzdruck durch eine globalisierte Wirtschaft, soziale Ungleichheit und die ökologischen Herausforderungen. Die Transformation zu mehr Umwelt- und Klimaschutz könne ungewollte Folgen haben: Weniger Wachstum bedeute weniger Geld für Sozialleistungen, geben die Autorinnen und Autoren zu bedenken. Darauf müssten Antworten gefunden werden, damit nicht die sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen und wirtschaftlich weniger entwickelten Länder am stärksten getroffen werden.