Tübingen (epd). Wegen der Corona-Lockdowns haben einer Studie zufolge zahlreiche Krebspatienten in aller Welt auf eine potenziell lebensrettende Operation verzichten müssen. Während vollständiger Lockdowns habe es bei Krebs-OPs durchschnittlich eine Verzögerung von 5,3 Monaten gegeben, ein Siebtel der Patientinnen und Patienten (15 Prozent) hätten die eigentlich notwendige Operation überhaupt nicht erhalten, teilte die Universität Tübingen, die an einer internationalen Studie zu dem Thema beteiligt ist, am Freitag mit. In Zeiten von geringen Corona-Beschränkungen hätten weniger als ein Prozent der Patienten nicht operiert werden können.
„Die Daten zeigen sehr klar, dass die Schließung von Kliniken und einschneidende Maßnahmen im Gesundheitswesen während der Pandemie weltweit nachteilige Auswirkungen auf die Schutzbedürftigsten unserer Patientinnen und Patienten hatten“, sagte Alfred Königsrainer, klinischer Leiter der Studie in Tübingen und Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie. Die Sicherstellung von Krebsoperationen sollte daher ein wichtiger Baustein der nationalen Pandemieplanung werden. Es sei zu erwarten, dass durch die OP-Verschiebungen und die verminderte Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen während der Pandemie fortgeschrittene Krebserkrankungen auch in Deutschland verstärkt auftreten werden, sagte Markus Löffler von der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie.
Die Daten hatte das weltweite Forschungsnetzwerk COVIDSurg zusammengetragen. An der Studie nahmen knapp 5.000 Chirurginnen und Chirurgen aus aller Welt teil, die Daten von mehr als 20.000 Patientinnen und Patienten mit 15 häufigen Tumorerkrankungen zusammengetragen haben. Die Daten stammen aus 466 Krankenhäusern in 61 Ländern. In Deutschland waren 90 Ärzte und 300 Patienten aus 19 Kliniken beteiligt. Die Studie ist im internationalen Fachjournal „Lancet Oncology“ erschienen.