Berlin (epd). Mit einer neuen Publikation wirbt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für Bereitschaft zum Kompromiss in schwierigen gesellschaftlichen Debatten. Das sei ein wichtiges Thema für moderne, plurale Gesellschaften, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm am Mittwoch bei der Vorstellung der Schrift „Vielfalt und Gemeinsinn“ in Berlin. Unterschiedliche Lebensweisen und Interessen müssten ausbalanciert werden. Es gehe um Orientierung, sagte Bedford-Strohm, der auch die Bedeutung der Kirchen für den Zusammenhalt der Gesellschaft betonte.
Ein gutes Zusammenleben könne nur gelingen, wenn alle im Auge behielten, dass die Gestaltung persönlicher Lebensentwürfe möglich sei, zugleich aber die legitimen Bedürfnisse anderer nicht verletzt werden, heißt es in der Publikation. „Freiheit und Selbstbeschränkung, Selbstverwirklichung und Rücksichtnahme gilt es in Ausgleich zu bringen“, schreiben die Autoren. Die Publikation stammt aus der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, der neben Theologen auch Juristen, Wissenschaftler und Politiker angehören.
Bedford-Strohm sagte, es sei kein Relativismus, wenn man sich für Pluralismus starkmache. Für die Kirche bleibe der christliche Glaube die Bezugsgröße. Zugleich brauche Pluralismus leidenschaftliche Debatten. Es mangele derzeit nicht an „Wahrheitsansprüchen“, sagte der bayerische Landesbischof. Oftmals fehle aber die Bereitschaft, die Beiträge anderer auch zu akzeptieren. Er forderte Respekt, um ergebnisoffen in Diskussionen zu gehen, und nannte als Beispiel die Debatten um konkrete Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Respekt ende aber, wenn Intoleranz zum Programm werde, sagte Bedford-Strohm: „Über Menschenwürde will ich nicht ergebnisoffen diskutieren.“
Das Papier der EKD betont im zweiten Teil auch, dass das Christentum insgesamt sowie die evangelische Kirche mit ihren Grundsätzen eine wichtige Quelle für „Gemeinsinn“ seien. Der Glaube jedes Einzelnen sei individuell, die Christen seien aber auch in einer Gemeinschaft verbunden. Die daraus entstehende Lebenspraxis dränge danach, Gesellschaft zu gestalten. Diese drei Dimensionen stünden für das immer wieder neu zu justierende Verhältnis von Vielfalt und Gemeinsinn. Zudem verweist die Schrift auf Felder, in denen die Kirche ganz praktisch das Gemeinwesen fördert: in der Bildung, der Diakonie und im Eintreten für Frieden.
Der evangelische Glaube biete in seiner Praxis Ressourcen, die sich am Gemeinsamen orientieren, sagte der Vorsitzende der Kammer, die die Schrift erarbeitet hat, Rainer Anselm. Es gehe um eine Frage der Lebenshaltung und des Umgangs miteinander, die die ersten Christen auch als „Gottesdienst“ bezeichnet hätten, sagte der Münchner Theologieprofessor. Gottesdienst sei damit eine bestimmte Lebensform, nicht nur ein Ritus.
An einer Stelle macht es das Papier ganz konkret: Es bekennt sich wie die EKD zum sogenannten Gendersternchen als Methode, mit der mehrere Geschlechter deutlich gemacht werden können. Wer es verwendet, wisse um die Diversität der Gesellschaft, heißt es unter anderem zur Begründung in der Publikation.