Freiburg (epd). Nach Ansicht des früheren vatikanischen „Ökumene-Ministers“ Walter Kasper beschäftigt sich die katholische Kirche in Deutschland oft nur „mit sich selbst“. Keineswegs seien alle deutschen Probleme auch die Probleme der Weltkirche, heißt es in einem Gastbeitrag des 88-jährigen früheren Präsidenten des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen für die „Herder Korrespondenz“ (November) mit Blick auf den aktuellen Reformprozess in der katholischen Kirche.
Er glaube allerdings nicht, dass die Spannungen zwischen deutschen Katholiken und Rom zu einer Kirchenspaltung führen, räumte der Kardinal ein. Für eher wahrscheinlich halte er die „gegebenenfalls viel schlimmere niederländische Variante.“ Nach dem Scheitern des niederländischen Pastoralkonzils (1966-1970) mit ähnlichen Reformvorstellungen, wie sie jetzt in Deutschland angestrebt werden, sei die Zahl der Katholiken so sehr gesunken, dass „die Niederlande heute eines der säkularisiertesten Länder Europas sind“.
Auch in Deutschland sammelten sich die, welche aus Enttäuschung die Kirche verlassen, „nicht zu einer neuen schismatischen Kirche und nur die wenigsten treten einer anderen Kirche bei“, fügte Kasper hinzu: „Sie gehen nicht ins Schisma, sondern in ein entchristlichtes konfessionsloses Niemandsland“, so der im baden-württembergischen Heidenheim an der Brenz geborene Theologe.
Die aktuellen Spannungen zwischen Rom und der deutschen Kirche „belasten mich physisch, und erst recht gemütsmäßig“, bekannte der frühere Kurienkardinal: „Sie gehen mitten durch mich hindurch“. Die Fronten verhärteten sich „zunehmend, eine Hermeneutik des Misstrauens breitet sich aus, man hört nicht mehr wirklich zu, und man versteht sich dann auch nicht mehr“. Ohne Zweifel gebe es römische Fehleinschätzungen der deutschen Situation, aber „ebenso kolossale deutsche Fehlurteile über Rom und manche römische Dokumente“.