Sachsenhausen-Prozess: Nebenkläger hoffen auf gerechtes Urteil

Sachsenhausen-Prozess: Nebenkläger hoffen auf gerechtes Urteil
Zehntausende Häftlinge kamen unter dem NS-Regime im KZ Sachsenhausen ums Leben. Nur wenige Täter standen vor Gericht. Vom Prozess gegen einen früheren Wachmann, der am Donnerstag beginnen soll, erhoffen sich die Nebenkläger ein gerechtes Urteil.

Brandenburg an der Havel (epd). Vom Prozess gegen einen früheren Wachmann des KZ Sachsenhausen erhoffen sich die Nebenkläger Aussagen des Angeklagten. Er hoffe, dass sich der 100-Jährige für die „Botschaft der Gerechtigkeit“ öffne, sagte Rechtsanwalt Thomas Walther, der elf Nebenkläger vertritt, am Mittwoch in Brandenburg an der Havel. Er fügte hinzu: „Wir wollen ein Urteil erreichen, ein gerechtes Urteil.“ Der Prozess soll am Donnerstag beginnen.

Das Schweigen von Tätern werde von den Nebenklägern als „Verachtung und fortgesetzte Demütigung“ wahrgenommen, betonte Christoph Heubner, geschäftsführender Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees. Das Verfahren diene der Suche nach der Wahrheit und könnte Überlebenden, ihren Angehörigen und auch dem Angeklagten einen gewissen Frieden bringen, sagte Walther.

Kurz vor Beginn des Prozesses sei es „sehr, sehr wichtig“, den Blick auf Nebenkläger und Opfer zu lenken, bevor ab Donnerstag der Angeklagte im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehe, sagte Heubner. Zu den Nebenklägern gehören der 79-jährige Antoine Grumbach aus Frankreich und der 84-jährige Christoffel Heijer aus den Niederlanden, deren Väter Widerstandskämpfer waren und in Sachsenhausen ermordet wurden.

Beide Männer hätten als Folge der NS-Verbrechen vaterlos aufwachsen müssen, sagte Walther, der Grumbach und Heijer in dem Prozess vertritt. An dem Verfahren seien insgesamt fünf Anwälte beteiligt, die Nebenkläger aus verschiedenen Ländern vertreten. Unter den Nebenklägern seien auch sieben Überlebende.

Heijer sagte, sein Vater, ein Sozialdemokrat, sei ein Idealist und für ihn ein Held gewesen. Nach der Verhaftung in Holland sei er zunächst unter anderem in einem Gestapo-Gefängnis festgehalten worden, wo Mutter und Sohn ihn einige Male hätten besuchen können. In der Nacht zum 1. Mai 1942 sei er nach Sachsenhausen deportiert worden. Die Mutter habe noch einen Brief vom Vater erhalten und danach graue Haare, bekommen, sagte Heijer. Der Großvater sei kurz darauf gestorben.

Grumbach erzählte, sein Vater sei im Maghreb als französischer Widerstandskämpfer gegen die Nazis aktiv gewesen, dort von der Polizei des französischen Vichy-Regimes verhaftet worden, in Tunis vor ein Militärgericht gekommen und dann mit anderen Widerstandskämpfern per Flugzeug nach Berlin gebracht worden. Im April 1943 kam er ins KZ Sachsenhausen, einige Monate später war er tot. „Ich erwarte, dass er sich schuldig erklärt“, sagte Grumbach über den Angeklagten. Er hoffe auf eine Verurteilung.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin wirft dem Angeklagten „Beihilfe zum grausamen und heimtückischen Mord “ in 3.518 Fällen in der Zeit von Januar 1942 bis Februar 1945 vor. Die Vorermittlungen hatte die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg geführt.

Die Täter seien nach dem Krieg in übergroßer Zahl „in die Mitte der Gesellschaft verschwunden“, sagte Heubner. Aktuelle Verfahren seien auch Ausdruck davon, dass die Justiz NS-Prozesse über Jahrzehnte vernachlässigt habe. Sie seien nun auch „als Dokumente eines demokratischen Rechtsstaats von einer eminenten Bedeutung“.