Berlin (epd). Das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. So würden die ehemaligen afghanischen Helfer von Bundeswehr, Bundespolizei, Auswärtigem Amt und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) nach ihrer Ankunft in Deutschland unter Druck gesetzt, um sie dazu zu bringen, einen Asylantrag zu stellen. Dabei hatte die Regierung Ortskräften, die ab 2013 von Deutschland angestellt waren, eine humanitäre Aufnahme zugesagt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wies die Vorwürfe zurück. Vor dem Patenschaftsnetzwerk hatte schon die Organisation Pro Asyl Vorwürfe gegen das Bamf erhoben, über die die „Frankfurter Rundschau“ berichtete.
Das Vereinsmitglied des Patenschaftsnetzwerks, Alexander Fröhlich, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), Dutzende Betroffene hätten sich hilfesuchend aus Erstaufnahmeeinrichtungen in Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen an ihn und andere Vereinsmitglieder gewandt. Denn ihnen sei mitgeteilt worden, sie seien keine Ortskräfte. Man habe ihnen gedroht, sie müssten die Erstaufnahmeeinrichtungen verlassen und bekämen keine Sozialleistungen mehr, wenn sie jetzt keinen Asylantrag stellten.
Fröhlich forderte: „Diese infamen behördlichen Spielchen mit ehemaligen Ortskräften und ihren Familien müssen sofort aufhören.“ Diese Menschen hätten wochenlang in Angst vor Ermordung durch die Taliban gelebt. Viele von ihnen seien traumatisiert. Er kritisierte: „Und jetzt werden sie von deutschen Behördenvertretern in einer gefühllosen, zynischen Weise drangsaliert.“
Das Bamf widersprach. „Die Asylantragstellung beim Bundesamt ist stets freiwillig“, erklärte ein Sprecher. „Alle Personen, die aus Afghanistan evakuiert wurden und eine Tätigkeit als Ortskraft für deutsche Behörden oder Institutionen angaben, hat das Bundesamt mit den bestehenden Aufnahmezusagen abgeglichen.“ Für diese Menschen sei die Erteilung einer humanitären Aufnahme nach Paragraph 22 Aufenthaltsgesetz eingeleitet worden.
Paragraph 22 regelt humanitären Aufenthalt zur „Wahrung politischer Interessen“ der Bundesrepublik. Wer diesen Status hat, darf uneingeschränkt erwerbstätig sein. Anders als in dem ergebnisoffenen Asylverfahren gibt es zudem eine sofortige Aufenthaltszusage.
„Alle anderen Menschen ohne bestehende Aufnahmezusage wurden auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Asylantrag zu stellen“, fügte der Bamf-Sprecher hinzu. Nur so könne nach Ablauf des 90-tägigen Visums der legale Aufenthalt gewährleistet werden. „Andernfalls wäre die Versorgung und Unterbringung eigenständig zu erbringen.“
Das Patenschaftsnetzwerk prangert indes auch die Regelung an, dass für die humanitäre Aufnahme nur jene afghanischen Ortskräfte berücksichtigt werden, die ab 2013 ein Visum für Deutschland angestrebt hatten. Fröhlich betonte, ausnahmslos jeder, der seit Beginn des deutschen Engagements vor gut 20 Jahren in Afghanistan als Ortskraft für Deutschland tätig gewesen sei, müsse einschließlich seiner Familienangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis nach Paragraph 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz erhalten. Denn sie alle würden von den Taliban als Feinde betrachtet, „die den Tod verdienen“.
Pro Asyl warnt indes, dass ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis erlöschen können, wenn ein Asylantrag gestellt wird. Der Bamf-Sprecher versicherte, wenn sich „in Einzelfällen im Laufe des Asylverfahrens“ herausstellen sollte, dass Personen doch für eine humanitäre Aufnahme in Betracht kommen sollte, „wird dieser Sachverhalt im Asylverfahren entsprechend berücksichtigt“. Auch die Rücknahme des Asylantrages und Erteilung eines humanitären Aufenthalts sei möglich.