Lindau (epd). UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi hat zum Auftakt der internationalen Tagung von „Religions for Peace“ an Religionsvertreter appelliert, sich für Solidarität mit Flüchtlingen einzusetzen. „Seien Sie Brüder und Schwestern mit denen, die wenig haben“, sagte Grandi am Montag in einer Videoansprache an die mehr als 600 internationalen Vertreter aus Religion und Politik, die an der hybriden Versammlung teilnehmen.
„Glauben kennt keine Grenzen“, betonte Grandi. Es sei wichtig, die einzelnen Regierungen darin zu unterstützen, Flüchtlingen willkommen zu heißen. „Ich erwarte von Ihnen, Ihren Glauben über die Angst zu stellen“, sagte Grandi zu den Teilnehmenden.
An der hybriden Konferenz unter dem Motto „Generationen im Dialog“ nehmen bis Donnerstag Religionsvertreter, Diplomaten und Experten aus 90 Ländern teil - die Mehrheit davon digital. Inhaltlich geht es um die Themenkomplexe „Frieden und Sicherheit“, „Umweltschutz“ und „Humanitäre Arbeit“. An der Tagung beteiligen sich auch Vertreter von UN-Organisationen und dem Internationalen Roten Kreuz.
Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, prangerte eine ungleiche Verteilung von Impfstoffen weltweit an. Die Menschen in armen Ländern hätten wie so oft das Nachsehen, betonte er in einer Videobotschaft.
Tedros ermutigte die Religionsvertreter, weitere internationale Partnerschaften zu knüpfen, um eine sichere und friedliche Welt zu schaffen. Die Religionen spielten in der schwierigen Zeit der Pandemie eine besondere Rolle, da sie leidende Menschen spirituell unterstützten.
Der Chef des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Gilles Carbonnier, sagte, es gebe noch ungenutztes Potenzial in der Zusammenarbeit von humanitären Helfern und religiösen Führungspersönlichkeiten - etwa in der Bekämpfung der Corona-Pandemie oder auch bei der Hilfe in bewaffneten Konflikten.
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, betonte die friedensbildende Kraft des religiösen Dialogs. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die besten Werkzeuge und Wege des friedlichen Umgangs mit der Andersartigkeit anderer Religionen in unseren unterschiedlichen wertvollen religiösen Traditionen bereits angelegt sind“, sagte Heinrich in ihrem Grußwort.
Nach Ansicht der evangelischen Theologin Margot Käßmann müssen Religionen zu Unrecht immer wieder als Begründung für Gewalt, Konflikte und Kriege herhalten. Es sei an der Zeit diese angebliche Legitimierung endlich zu beenden, sagte die frühere EKD-Ratsvorsitzende und heutige Co-Präsidentin von „Religions for Peace“ in Lindau.
Der Co-Vorsitzende von „Religions for Peace“, Rabbi David Rosen, sagte, es sei zwar wahr, dass weltweit Kriege und Konflikte im Namen von Religionen ausgetragen werden. „Religions for Peace“ sei aber der Beweis für eine „neue Ära, in der Religionen zusammenarbeiten“. Politiker und Diplomaten kämen und gingen, die religiösen Organisationen aber blieben bestehen. Die Religionen seien sich heutzutage der Tatsache bewusst, dass alle gemeinsam eine „Familie in großartiger Vielfalt“ seien und nicht jede für sich alleine auf einer einsamen Insel existierte, sagte Rosen.
„Religions for Peace“ hat sich 1970 gegründet und setzt sich für weltweiten interreligiösen Dialog ein.