Eisenach (epd). 500 Jahre nach der Bibelübersetzung durch Martin Luther (1483-1546) auf der Wartburg soll dort wieder ein Stück Sprach- und Literaturgeschichte geschrieben werden. Mit dem Lyriker Uwe Kolbe startet am Mittwoch das sogenannte Wartburg-Experiment, sagte der Vorstandssprecher der Internationalen Martin Luther Stiftung (IMLS), Thomas Seidel, am Dienstag auf der Burg bei Eisenach. Jeweils für einen Monat seien neben Kolbe auch die Schriftstellerin Iris Wolff und der Schriftsteller und Philosoph Senthuran Varatharajah zur „Zwiesprache mit der Lutherbibel“ eingeladen.
Einzige Bedingung für die schriftstellerische Arbeit sei ein Bezug zum Neuen Testament. Ob am Ende der Klausur ein Prosatext, Gedicht oder ein Essay entstanden ist, liege dabei ganz im Ermessen der Autoren, sagte Seidel. Mit ihrer Arbeit am Originalschauplatz knüpfe das Trio an die Übersetzung Luthers an, der von Weihnachten 1521 bis Anfang März 1522 in nur elf Wochen das Neue Testament vor allem aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzte und damit zugleich die Grundlage für die deutsche Schriftsprache legte.
Wie der Reformator stünden die Autorin und Autoren vor der Aufgabe, zu übersetzen, sagte Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke). Dabei gehe es nicht darum, einfach nur zu historisieren, sondern dem Geist des Neuen und Gewagten „in das Jetzt, Heute und Hier“ zu übertragen, erklärte die Rathauschefin. Sollte sich in der Einsamkeit der Burg Verzweiflung einstellen, seien die Schreibenden gern auf ein Eis unten in der Stadt eingeladen.
Kolbe und Wolff - Varatharajah konnte wegen einer Erkrankung am Dienstag nicht dabei sein - gestanden ihren Respekt vor der anstehenden Herausforderung ein.
Die 1977 in Rumänien, im siebenbürgischen Hermannstadt, geborene Wolff bezeichnete es als „große Kostbarkeit“, vier Wochen am Stück und „verborgen vor der Welt“ schreiben zu können. Auch Kolbe freute sich auf die Zeit, unterstrich aber auch den experimentellen Ansatz der Klausur. Für ihn gehe es zunächst darum, einen Umgang mit den vielen Touristen auf der seit 1999 zum Unesco-Welterbe gehörenden Burg zu finden.
Deren Getrippel werde in der Schreibkemenate, die fast direkt neben Luthers Schreibstube liegt, sicherlich zu hören sein, sagte der Lyriker. Aber für ihn seien neben Füllfederhalter und - für alle Fälle - dem Tintenfass auch die Wanderschuhe mit die wichtigsten Arbeitsutensilien, bekannte der 1957 in Ost-Berlin geborene und inzwischen in Dresden lebende Autor.
Ob, in welcher Form und wann die Arbeiten des aktuellen Trios zu lesen sein werden, ließ Vorstandssprecher Seidel offen, verwies aber auf erste Gespräche mit Verlagen. Auf alle Fälle werde der Schreib-Aufenthalt der Autorin und ihrer Kollegen medial begleitet.
Unterstützt wird das „Wartburg-Experiment“ unter anderem von der Stadt Eisenach sowie von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), dem Kulturbüro der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem Lutherhaus Eisenach und der Wartburg-Stiftung.