Frankfurt a.M. (epd). Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat unter reger Anteilnahme von Vertretern aus Politik und Gesellschaft am Donnerstag in Frankfurt am Main den Spatenstich für die Jüdische Akademie in Deutschland gefeiert. Es ist die erste überregionale jüdische Institution dieser Art, die nach dem Holocaust in Deutschland errichtet wird. Der mehrgeschossige Neubau, in den eine frühere denkmalgeschützte Professorenvilla integriert wird, soll nahe der Messe in der Senckenberganlage im Westend entstehen. Die Fertigstellung des Baus ist für Ende 2023 geplant, 2024 soll die Akademie ihren Betrieb aufnehmen.
„Wir wollen einen modernen Ort jüdischen Denkens schaffen“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bei der Feier. „Wir möchten die Fenster aufstoßen für den Dialog mit Christen und Muslimen, mit unserer diversen Migrationsgesellschaft, mit anderen Ländern.“ Die Bildungseinrichtung solle auch „Selbstzufriedenheit erschüttern“ - im Blick auf die Erinnerungskultur, den Kampf gegen Antisemitismus und die Integration von Einwanderern und Flüchtlingen. Von der Idee bis zum Spatenstich seien acht Jahre vergangen. Frankfurt sei als Standort gewählt worden, weil es „die jüdischste Stadt Deutschlands“ sei.
Die neue Akademie werde ein „Ort der Neugier“ sein, sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vertrat. Die Einrichtung werde „ein offenes Haus für eine offene Gesellschaft sein“. Rechte Gewalt und antisemitische Ressentiments seien in Deutschland auf dem Vormarsch, „das ist beschämend, das muss bekämpft werden, das hat keinen Platz in Deutschland“, sagte Kerber.
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) knüpfte daran an: „Wir setzen heute einen Kontrapunkt zu vielem, was in unserem Land schiefläuft“, sagte er. Die Jüdische Akademie stoße Fenster auf zu denen, die offen seien für Neues und lernen wollten. Das Ziel der Politik müsse sein: „Juden sollen ohne Angst in Deutschland leben können.“
Der künftige Direktor Doron Kiesel, der zusammen mit Sabena Donath die Jüdische Akademie leiten wird, erinnerte daran, dass die Idee der Gründung auf den früheren Zentralratspräsidenten Dieter Graumann aus Frankfurt zurückgehe. Die Akademie solle ein Ort sein, an dem „Juden und Nichtjuden gleichermaßen Fragen, Unsicherheiten oder Zuschreibungen diskutieren und Gewissheiten infrage stellen können“, sagte der Wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Sich dort treffen, Bekanntschaften machen und Freundschaften schließen, das ist die beste Garantie, um bestehende Ressentiments zurückzudrängen.“
Mit der Jüdischen Akademie werde die Arbeit der evangelischen und der katholischen Akademie in Frankfurt zu einem Dreiklang erweitert, sagte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung als Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland. Frankfurt habe eine stolze jüdische Tradition, die den demokratischen, weltoffenen, sozialen Geist der Stadt geformt habe, betonte Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD).
Der mehrgeschossige Neubau soll durch ein verglastes Foyer mit einer früheren denkmalgeschützten Professorenvilla verbunden werden. Der Entwurf des Frankfurter Architekten Zvonko Turkali sieht im neoklassizistischen Altbau unter anderem ein Café sowie Besprechungs- und Verwaltungsräume vor. Der Neubau umfasst fünf Ebenen. Im Untergeschoss ist ein Speisesaal geplant, im Erdgeschoss ein Akademiesaal. Der große Veranstaltungssaal für 200 Personen im ersten Obergeschoss soll in Teilen auch das zweite Geschoss einnehmen. Darüber ist eine Dachterrasse vorgesehen.
Die Gesamtkosten des Projekts liegen laut Zentralrat bei 34,5 Millionen Euro. Die Stadt will 5,5 Millionen Euro zuschießen. Die Bundesregierung werde sich nach einem Beschluss des Deutschen Bundestags mit 16 Millionen Euro und die hessische Landesregierung mit sieben Millionen Euro beteiligen. Die Jüdische Akademie steht in der Tradition des in den 1920er Jahren gegründeten Freien Jüdischen Lehrhauses, das in Frankfurt von dem Historiker und Religionsphilosophen Franz Rosenzweig (1886-1929) geleitet wurde, wie mehrere Redner betonten.