Tote bei Andrang auf Flughafen Kabul

Tote bei Andrang auf Flughafen Kabul
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Dramatische Szenen am Flughafen Kabul: Im Gedränge vor dem Gelände sterben am Sonntag mindestens sieben Menschen. Derweil werden die Evakuierungsflüge fortgesetzt. Die Bundeswehr hat bis Sonntag etwa 2.300 Menschen in Sicherheit gebracht.

Berlin (epd). Bei dem Massenandrang auf den Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am Sonntag mehrere Menschen ums Leben gekommen. Der britische Sender BBC berichtete unter Berufung auf das Londoner Verteidigungsministerium von mindestens sieben Toten. Unterdessen flogen westliche Länder weiter Schutzbedürftige aus. Die Bundeswehr brachte bis Sonntagnachmittag mehr als 2.300 Personen in Sicherheit. Ziel sei es weiter, so viele Schutzbedürftige wie möglich aus Afghanistan rauszuholen, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Samstag.

Die aufständischen Taliban hatten vor einer Woche das Land vollständig eingenommen. Seitdem kontrollieren sie alle Straßen und Grenzübergänge. Der einzige Weg, Afghanistan zu verlassen, führt damit über den Flughafen von Kabul, wo mehrere Tausend Soldaten der Nato die Evakuierungsflüge für ihre Staatsbürger sowie einheimische Helfer absichern sollen. Tausende, die vor den Taliban fliehen wollen, versuchen auf das Flughafen-Gelände zu kommen. In den vergangenen Tagen haben etliche Menschen bei dem Andrang ihr Leben verloren.

Am Samstag brachte die Bundeswehr zwei Hubschrauber zur Unterstützung der Evakuierung nach Kabul. Außerdem fliegt die deutsche Luftwaffe mit Transportmaschinen nun auch Hilfsgüter für die Menschen auf dem Flughafengelände ein, darunter Wasser, Babynahrung und Drogerieartikel, wie Generalsinspekteur Eberhard Zorn mitteilte.

Der Koordinator des Bundeswehreinsatzes am Flughafen Kabul, Brigadegeneral Jens Arlt, berichtete am Sonntag von einer weiterhin schwierigen Lage am Flughafen. Zwischendurch waren die Evakuierungen ins Stocken geraten. Das US-Militär, das den militärischen Teil der Flughafens Kabul kontrolliert, schloss am Samstag vorübergehend alle Tore, um den Zufluss von Menschen unter Kontrolle zu bringen. Zwei Bundeswehr-Maschinen am Samstag konnten nur mit insgesamt 15 Schutzbedürftigen starten.

Die US-Armee nutzt für ihre Evakuierungsaktionen auch den Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. „Auf den Flügen werden auch Deutsche oder von uns benannte Personen evakuiert“, erklärte des Auswärtige Amt per Twitter. Von Freitag bis Sonntagmorgen landeten mehr als 20 US-Flugzeuge mit knapp 5.000 Geretteten auf der US-Luftwaffenbasis, wie eine Sprecherin in Ramstein sagte. Dort wurde den Angaben zufolge eine Zeltstadt für die Evakuierten errichtet. Nach medizinscher Untersuchung und Feststellung der Identität würden sie vorerst dort bleiben, bis über ihren weiteren Verbleib entschieden sei.

Derweil ist auch eine Woche nach der Machtübernahme der Taliban weiter unklar, wie die künftige Regierung in Kabul zusammengesetzt sein wird. Am Samstag trafen sich der frühere Präsident Hamid Karsai und der Vorsitzende des afghanischen Versöhnungsrats, Abdullah Abdullah, mit Taliban-Führern in Kabul, um über die Situation im Land zu beraten.

Laut dem afghanischen TV-Sender Tolo News führten Karsai und Abdullah auch Gespräche mit Taliban-Kommandeur Abdul Rehman Mansur, der von den Taliban zum Gouverneur von Kabul ernannt wurde, und damit für die Sicherheit in der Hauptstadt zuständig ist.

Für viele frühere Soldaten des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan ist die Machtübernahme der Taliban offenbar psychisch belastend. Anfragen nach psychologischer Beratung und Kontaktaufnahmen von Veteranen und Familienangehörigen hätten „in den vergangenen Tagen sprunghaft zugenommen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Einsatzveteranen, David Hallbauer, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

Die dramatischen Ereignisse in Afghanistan hätten bei etlichen Veteraninnen und Veteranen zu einer Retraumatisierung geführt, erklärte Hallbauer: „Sie haben den Eindruck, dass ihr monatelanger, harter Einsatz - oft unter Todesangst - letztlich vergebens war, und Erfolge aus 20 Jahren Afghanistaneinsatz jetzt von den Taliban mit einem Schlag zunichte gemacht werden.“