Weniger Freiheiten trotz negativen Corona-Tests rechtlich bedenklich

Weniger Freiheiten trotz negativen Corona-Tests rechtlich bedenklich
18.08.2021
epd
epd-Gespräch: Frank Leth

Gießen (epd). Die Freiheitsrechte von ungeimpften Menschen in der Pandemie unabhängig von einem Corona-Testergebnis einzuschränken, ist nach Meinung des Verfassungsrechtlers Steffen Augsberg nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch Menschen gibt, die sich nicht gegen das Sars-CoV-2-Virus impfen lassen können, wie etwa Kinder oder immungeschwächte Personen“, sagte der Gießener Jura-Professor und Mitglied im Deutschen Ethikrat dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem könnten auch Geimpfte das Virus weiterverbreiten.

Statt pauschal nur Geimpften und Genesenen den Zugang etwa zu Fitnessstudios oder Restaurants zu erlauben, müsse genauer hingeschaut werden, wie hoch das Ansteckungsrisiko bei einzelnen Personengruppen ist, sagte er. Auch regional unterschiedlich hohe Inzidenzen könnten berücksichtigt werden. Daran müssten sich die zu treffenden, differenzierten Gesundheitsmaßnahmen orientieren. Man müsse mehr ausprobieren, wie ein Leben mit dem Coronavirus möglich sei.

Auf die reduzierte Infektiosität von Genesenen und Geimpften zu reagieren sei zwar richtig, für verfassungsrechtlich problematisch hält Augsberg aber pauschale Beschränkungen für Ungeimpfte trotz negativen Corona-Tests. Allerdings müsse unterschieden werden zwischen sachlich begründeten Ungleichbehandlungen und einem bewusst eingeführten, mittelbaren Impfzwang, sagte Augsberg.

Nach der 3G-Regel, die Bund und Länder in der vergangenen Woche beschlossen hatten, haben neben Geimpften und Genesenen auch negativ Getestete Zugang zu Aktivitäten in Innenräumen - etwa in Fitnessstudios oder in Restaurants. Es gibt aber bereits Diskussionen, ab Herbst nur noch Geimpften und Genesenen (also 2G) Zutritt zu öffentlichen Orten zu erlauben. Eine überzeugende Strategie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sieht Augsberg darin nicht. „Man vertraut auf Biegen und Brechen auf den Erfolg der Impfung“, sagte der Jurist.

Es müsse viel genauer geprüft werden, welche Maßnahmen wo und bei welchen Personengruppen verhältnismäßig seien, forderte der Verfassungsrechtler. Gerade angesichts einer hohen Impfquote in der Bevölkerung seien drastische Freiheitseinschränkungen bei Ungeimpften nicht einfach zu begründen.

Das Virus werde auch in Zukunft in unserer Gesellschaft vorhanden sein. „Wir haben bislang aber nicht hinreichend geklärt, welche Risiken wir überhaupt dabei akzeptieren wollen. Jeden einzelnen Toten werden wir nicht verhindern können,“ sagte Augsberg.