Schortens (epd). Im Impfskandal von Schortens (niedersächsischer Kreis Friesland) hat der Rechtsanwalt der beschuldigten Krankenschwester den bisherigen Angaben von Polizei und Landkreis widersprochen. „Unzutreffend ist, dass durch das Verhalten unserer Mandantin jemals Impfdosen verabreicht wurden, die lediglich aus Kochsalzlösung bestanden“, sagte der Wilhelmshavener Anwalt Christoph Klatt am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Stattdessen habe sie versucht, den Impfstoff-Verlust durch eine versehentlich zerbrochene Ampulle auszugleichen, indem sie die Spritzen mit Resten aus mehreren anderen Ampullen aufgezogen habe. Über die Darstellung des Anwalts hatte zuerst die „Ostfriesen-Zeitung“ (Donnerstag) berichtet.
Der etwa 40-jährigen Frau wird vorgeworfen, im April in mindestens sechs Fällen im Impfzentrum Schortens-Roffhausen den Corona-Impfstoff gegen eine Kochsalzlösung ausgetauscht zu haben. Als Grund gab sie laut den Ermittlern an, dass ihr eine Ampulle mit dem Vakzin zerbrochen sei. Aus Furcht vor einer Entlassung habe sie dann die Spritzen lediglich mit Kochsalz aufgefüllt. Am Dienstag hatte der Landkreis mitgeteilt, die Ermittler könnten nicht ausschließen, dass die Frau bereits zuvor mehrfach ausschließlich Kochsalz verwendet habe. Darum müssten nun mehr als 8.500 Menschen nachgeimpft werden.
Der Anwalt der Frau erklärte, dass es sich um „einen einmaligen Vorfall“ gehandelt habe. Seine Mandantin habe nicht aus einer politischen Motivation heraus gehandelt. Außerdem habe sie der Polizei bei den ersten Befragungen mitgeteilt, dass sie versucht habe, den verschütteten Impfstoff mit Resten aus anderen Ampullen auszugleichen. Dies sei jedoch von den Behörden bisher nie erwähnt worden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg bestätigte, „dass das in der ersten Vernehmung tatsächlich angeklungen ist“.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft betonte weiter, dass seine Behörde nach wie vor nur wegen der sechs Fälle ermittle, die von der Frau eingeräumt worden seien. Die Befürchtungen und Vermutungen des Landkreises, sie könnte über einen längeren Zeitraum die Impfspritzen manipuliert haben, reichten ohne Tatsachenhinweise nicht für ein Verfahren aus. Neu sei hingegen der Verdacht, die Frau könnte ihren eigenen Impfausweis gefälscht haben. Doch derzeit sei es für eine rechtliche Bewertung dazu noch zu früh.
Der Pharmakologe Roland Seifert betonte, ein Mischen von Resten anderer Ampullen sei absolut verboten. „Als examinierte Krankenschwester muss sie das wissen“, erklärte der Direktor des Institutes für Pharmakologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Niemand könne sagen, wie sehr die Frau den Impfstoff verdünnt habe. Darum sei ein Impferfolg sehr fraglich. Wäre eine Verdünnung des Impfstoffes gefahrlos möglich, hätten dies die Pharmakonzerne längst getan.
Der durch die Frau angerichtete Schaden sei kolossal, sagte Seifert. Um zu überprüfen, ob die Impflinge eigene Antikörper gebildet haben, müsste jeder einzelne teuer und aufwendig untersucht werden. Eine Nachimpfung sei darum erheblich günstiger. „Egal, ob sie nun nur Kochsalz oder eine Mischung mit dem Impfstoff verwendet hat - mit ihrer Aktion hat sie der Impfkampagne sehr geschadet.“