Kochsalz statt Impfstoff: Polizei plant weitere Zeugenvernehmungen

Kochsalz statt Impfstoff: Polizei plant weitere Zeugenvernehmungen

Schortens, Hannover (epd). In dem Impfskandal im niedersächsischen Schortens will die Polizei weitere Zeugen vernehmen. Einer examinierte Krankenschwester wird vorgeworfen, im April in mindestens sechs Fällen Corona-Impfstoff gegen Kochsalz ausgetauscht zu haben. Die Behörden könnten aber für rund 8.500 weitere Impfungen eine Manipulation nicht ausschließen, sagte am Mittwoch die Sprecherin der Polizei-Inspektion Wilhelmshaven, Janina Schäfer, dem epd. „Die Frau selbst macht von ihrem Schweigerecht Gebrauch und lässt sich anwaltlich vertreten.“

Für die Ermittler gelte es nun, die Ausmaße des Skandals möglichst exakt einzugrenzen, sagte Schäfer. Sie handelten also im rechtlichen Rahmen der Gefahrenabwehr. Strafrechtliche Ermittlungen könnten sich daran anschließen. Diese liefen zurzeit nur in den sechs ursprünglich bekannt gewordenen Fällen. „Einlassungen etwa zum Motiv könnten wir nur erhalten, wenn sich die Beschuldigte über ihre Anwälte entsprechend äußert.“

Bislang habe die Frau auf diesem Wege nur mitgeteilt, dass es sich bei der Tat im April um einen „einmaligen Vorfall“ gehandelt habe, sagte Schäfer. Die Krankenschwester hatte als Grund für die manipulierten Spritzen angegeben, ihr sei eine Ampulle mit dem Vakzin zerbrochen und sie habe aus Scham den Leiter des Impfzentrum zunächst nicht informieren wollen. Der DRK-Kreisverband hatte der Frau sofort fristlos gekündigt. Die sechs Betroffenen wurden nachgeimpft.

Der oldenburgische Staatsanwalt Matthias Rennecke sagte dem epd, seine Behörde ermittele zum Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft. Dabei würden die sechs Fälle aus dem April betrachtet. „Insgesamt gilt die Unschuldsvermutung“, betonte Rennecke. Sowohl für die sechs Fälle als auch für die möglicherweise rund 8.500 weiteren betroffenen Impfungen „brauchen wir die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Täterschaft, um Anklage zu erheben“. Die Polizei hatte impfkritische Posts der Frau bei Facebook gefunden.

Die bloße Vermutung einer Straftat oder der Verdacht, es könne nicht ausgeschlossen werden, die Frau habe weitere Spritzen manipuliert, reiche für eine Anklage nicht aus, sagte Rennecke. Auch könne sich der Straftatbestand im laufenden Verfahren noch ändern. Bei einer Verurteilung im Fall einer gefährlichen Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft droht laut Gesetz eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Unterdessen sagte eine Sprecherin des Sozialministeriums am Mittwoch in Hannover, die betroffenen Bürgerinnen und Bürger gingen „sehr besonnen“ mit der Situation um. Bereits am Dienstag hätten mehr als 2.000 Menschen das Angebot der Behörden wahrgenommen und sich einen neuen Impftermin bestätigen lassen. Die rund 8.500 Menschen, die möglicherweise Kochsalzlösung statt Impfstoff bekommen hatten, waren aufgefordert worden, sich nachimpfen zu lassen.