Katsch: "Simulation von Aufarbeitung" bei sexuellem Missbrauch

Katsch: "Simulation von Aufarbeitung" bei sexuellem Missbrauch
10.08.2021
epd
epd-Gespräch: Christine Süß-Demuth

Offenburg (epd). Deutliche Kritik an der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals durch die katholische Kirche hat der Geschäftsführer der bundesweiten Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, geübt. „Was wir bis jetzt erlebt haben, ist vielfach nur eine Simulation von Aufarbeitung“, kritisierte Katsch im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Opfer erwarteten weiterhin ernsthafte Aufklärung, Hilfe und Entschädigung.

Katsch, der 2010 den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche öffentlich gemacht hatte und im September für die SPD in den Bundestag einziehen will, warf den katholischen Bischöfen vor, sich bei der Aufklärung „schizophren“ zu verhalten. Viele wollten ehrlich aufklären, aber gleichzeitig auch die Institution schützen. Die Bischöfe handelten wie „kleine Könige“, weil sie keine Rechenschaftspflicht gegenüber ihrem Kirchenvolk oder der Öffentlichkeit hätten.

Was an dem Missbrauchsskandal noch nicht richtig verstanden wurde, sei der „institutionelle Aspekt“. „Eine große Religionsgemeinschaft hat, weltweit koordiniert und mit Anweisung aus der Zentrale in Rom, dafür gesorgt, dass Missbrauchstäter nicht belangt, sondern geschützt wurden“, sagte Katsch, der auch Mitglied der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ ist.

Grundlegendes Problem sei dabei auch die Scheu, über Missbrauch zu sprechen. Dieses Unbehagen beim Thema Sexualität verweise auf die überkommene Sexualmoral der katholischen Kirche. „Sie reitet immer noch neurotisch auf dem Thema Sexualität rum, als ob Fortpflanzung das wichtigste auf der Welt wäre“, sagte Katsch, der im April mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde.

Ferner müsse auch der Staat seine Verantwortung anerkennen und dafür sorgen, diese Verbrechen aufzuklären, so Katsch, der als SPD-Bundestagskandidat in Offenburg kandidiert. Respekt und Scheu vor der Kirche hätten dazu geführt, dass da wenig konsequent gehandelt worden sei. Auch die Gesellschaft müsse darauf achten, wem „wir unsere Kinder anvertrauen“. Hier gelte es, kritisch auf die Vorstellungen von Sexualmoral der katholischen Kirche zu schauen.

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken beraten seit 2019 im sogenannten Synodalen Weg über Lehren aus dem Missbrauchsskandal. Die Themen sind unter anderem Machtmissbrauch, die katholische Sexualmoral und die Ehelosigkeit von Priestern sowie die Rolle der Frau in der Kirche. Die Bischofskonferenz hat zudem zum 1. Januar 2021 das Verfahren für die Anerkennung erlittenen Leids reformiert. Demnach können Betroffene sexualisierter Gewalt je nach Schwere des Falls bis zu 50.000 Euro als Anerkennungsleistung erhalten. Die Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ hatte Zahlungen im sechsstelligen Bereich gefordert.