"Schauen, dass keiner durchs Raster fällt"

"Schauen, dass keiner durchs Raster fällt"
Dresdner Superintendent Behr hat Erfahrungen mit Flutopfern
19.07.2021
epd
epd-Gespräch: Katharina Rögner (epd)

Dresden (epd). Die Menschen in den Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz brauchen nach Ansicht des Theologen Christian Behr dringend eine nachhaltige Notfallseelsorge. Aktuell seien zudem Hilfskapazitäten wirksam zu bündeln und zu verteilen, sagte der Dresdner Superintendent, der die Hochwasserkatastrophe von 2002 als Pfarrer im sächsischen Grimma erlebte, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gelte, Hilfszentren und Anlaufpunkte zu schaffen, um „die Kräfte nicht an der falschen Stelle einzusetzen“. Von der Flut betroffene Menschen brauchten Ansprechpartner und -partnerinnen, die Auskunft geben könnten und sich den Opfern „lieber mal länger widmen“.

Behr wohnte 2002 mit seiner Familie in Grimma bei Leipzig direkt an dem kleinen Fluss Mulde. In Deutschland, Tschechien und Österreich kam es damals im August zu heftigen Regengüssen und in der Folge zu schweren Überflutungen. Auch Grimma wurde über Nacht vom Hochwasser der Mulde erfasst und schwer zerstört.

Behr sagte, die psychosozialen Folgen eines solchen Ereignisses dürften nicht unterschätzt werden. Deshalb müsse auch eine mittel- und längerfristige Betreuung der Menschen in den Katastrophengebieten gewährleistet werden. Er und ein weiterer Pfarrer in Grimma seien damals nach der Flut ein Vierteljahr zu den Betroffenen hingegangen, und zwar täglich. „Es galt auch zu schauen, dass keiner durchs Raster fällt“, sagte Behr.

Er erinnere sich noch immer an die Erschöpfung der Menschen. Was er in Seelsorgegesprächen immer wieder gespiegelt bekommen habe, sei aber auch der „Verlust der Vergangenheit“. Persönliche Erinnerungsstücke wie etwa Fotos hätten viele Menschen nach der Katastrophe am meisten vermisst. Da sei für sie ein „blinder Fleck“ entstanden.

Was sich aktuell wiederhole, seien die zu vielen Sachspenden, die gar nicht alle verteilt werden könnten, sagte Behr. Wichtiger seien Geldspenden. Kurzfristig seien Soforthilfen nötig, die mit wenig bürokratischem Aufwand verteilt werden müssten.

Er selbst sehe seine Aufgabe vor allem darin, mittelfristig zu helfen. Zusammen mit der Stadtverwaltung Dresden wolle er Partnerkommunen in den Flutgebieten finden. Zudem könnte das Evangelische Kreuzgymnasium in Dresden Partner einer Schule im Katastrophengebiet werden.