Frankfurt a.M. (epd). Strafverfolgungsbehörden gehen nach Ansicht des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe noch nicht entschieden genug gegen Gewalt im Internet vor. „Die Strafverfolgung steckt bei digitaler Gewalt noch in den Kinderschuhen“, sagte Verbandssprecherin Jenny-Kerstin Bauer dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir brauchen nicht noch mehr Paragrafen, das Problem ist ihre Durchsetzung.“
Digitale Gewalt richtet sich meist gegen Frauen und Mädchen. Seit Jahren verzeichnen nach Aussage Bauers Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen einen Anstieg der Anfragen zu diesem Thema. Konkrete Zahlen, wie viele Frauen betroffen sind, gebe es derzeit noch nicht, sagte Bauer. Eine europaweite Studie zeige aber, dass rund 70 Prozent aller Frauen, die digitale Gewalt erlebt haben, auch körperliche oder sexualisierte Gewalt durch ihre Partner oder Expartner erfahren. „Es wird oft unterschätzt, dass es sich um reale Gewalt handelt“, sagte sie.
Oft seien bei Strafverfolgungsbehörden Zuständigkeiten unklar, das sei auch regional sehr unterschiedlich. Manchmal würden betroffene Frauen auf der Polizeiwache als Opfer mitverantwortlich für die Taten gemacht, Experten nennen das „victim blaming“. Die Kompetenzen, um digitale Beweise zu sichern, seien unterschiedlich verteilt, sagte Bauer. Es gebe zwar Spezialisten dafür, aber diese seien nicht immer „in der Wache um die Ecke“ zu finden. „Das ist eine Leerstelle“, sagte Bauer. Aber auch Betreiber von Online-Plattformen drückten sich oft um ihre Verantwortung, indem sie keine guten Interventionsmöglichkeiten anböten, um etwa intime Bilder löschen zu lassen.
Digitale Gewalt könne viele Ausprägungen haben. Es gebe etwa das Cyberstalking, bei dem Täter ihren Opfern im Netz auflauern. „Stalkerware“, Software, die auf digitalen Endgerät des Opfers installiert werde, erleichtere das Ausspähen intimer Informationen. Bei bildbasierter digitaler Gewalt verwendeten Täter oft ursprünglich mit Einverständnis des Opfers gemachte Fotos von sexuellen Handlungen und lade diese auf Porno-Seiten hoch. Auch das Streuen von Gerüchten über das Opfer in sozialen Netzwerken und Identitätsdiebstahl gehörten dazu.
Oft kennen sich Täter und Opfer privat. „Der analoge und der digitale Raum sind kaum zu trennen“, erläutert Bauer. Ausnahme sei der Bereich „Hatespeech“. Dem Täter gehe es bei digitaler Beziehungswalt darum, Macht und Kontrolle über die Frau auszuüben, sie einzuschüchtern und zu isolieren.
Wichtig sei, den betroffenen Frauen zu vermitteln, dass sie nicht alleine bleiben müssen. Sie könnten sich Hilfe bei vertrauten Personen oder Fachberatungsstellen holen. „Es gibt mittlerweile auch eine große Gegenbewegung und viel Hilfe“, betonte Bauer.