Rom (epd). Papst Franziskus hat den Rücktritt von Kardinal Reinhard Marx als Erzbischof von München und Freising abgelehnt. Das teilte der Vatikan am Donnerstag mit. In einem persönlichen Brief bat Franziskus ihn, im Amt zu bleiben. Er schrieb: „Mach weiter, so wie du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising.“
In dem vom Vatikan veröffentlichten Brief stimmt Franziskus Marx zu, „dass wir es mit einer Katastrophe zu tun haben: der traurigen Geschichte des sexuellen Missbrauchs und der Weise, wie die Kirche damit bis vor Kurzem umgegangen ist“. Die Veröffentlichung des Briefs bricht mit dem gängigen Vorgehen des Vatikans bei Personalfragen.
Marx, der seit 2008 an der Spitze des Erzbistums München und Freising steht, hatte vergangenen Freitag sein Rücktrittsangebot an den Papst öffentlich gemacht. Diesem hatte er seinen Wunsch am 21. Mai in einem Brief mitgeteilt. Mit diesem Schritt wollte der 67-jährige nach eigenem Bekunden Mitverantwortung übernehmen „für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten“.
In der katholischen Kirche löste die Entscheidung Erleichterung aus. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sei erleichtert, dass Kardinal Marx weiter im Amt ist und freue sich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit, teilte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Marx wollte sich im Laufe des Donnerstagnachmittags noch selbst äußern.
Der oberste Repräsentant der katholischen Laien, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte der „Rheinischen Post“ (Freitag), er sei froh, „dass Kardinal Marx uns als starke Stimme erhalten bleibt“. Die Entscheidung aus Rom zeige, „dass die angebliche Unzufriedenheit über den Synodalen Weg in Deutschland der vielschichtigen Realität nicht entspricht“.
Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte, er könne seine Erleichterung über die Entscheidung des Papstes „nicht verhehlen“.
Der Münsteraner Experte für Kanonisches Recht, Thomas Schüller, sagte dem epd, mit der Entscheidung bleibe Marx einer der engsten Berater des Papstes. „Leider erwähnt der Papst mit keinem Wort die Opfer sexualisierter Gewalt in der Kirche und auch nicht die die Kategorie der Gerechtigkeit“, sagte Schüller. Die Nichtannahme des Rücktritts immunisiere Marx auch nicht vor späteren Rücktrittserfordernissen durch neue Untersuchungen.
Kritik kam auch vom Sprecher der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch. „Mit seiner Entscheidung nimmt Franziskus dem Rücktrittsangebot von Kardinal Marx die Wucht“, sagte er. Besonders erschreckend sei, wie der Papst in seiner Erklärung versuche, die Verantwortung für Machtmissbrauch und Missbrauchsvertuschung durch Bischöfe weltweit zu relativieren, indem er darauf verweise, dass früher eben „andere Zeiten“ gewesen seien.