Köln, Münster (epd). Der Münsteraner Bischof Felix Genn lässt innerhalb weniger Monate zum zweiten Mal prüfen, ob er kirchenrechtliche Ermittlungen gegen den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki aufnehmen lassen wird. Woelki werde erneut vorgeworfen, einen mutmaßlichen Vorfall sexueller Gewalt durch einen katholischen Pfarrer nicht weiter untersucht und nicht gemeldet zu haben, teilte das Generalvikariat in Münster am Freitag auf Anfrage mit. Eine entsprechende Anzeige sei beim Bischof von Münster eingegangen und an den Heiligen Stuhl weitergegeben worden. Am Freitag wurde zudem bekannt, dass Papst Franziskus den Umgang des Erzbistums Köln mit Missbrauchsfällen untersuchen lässt.
Als dienstältester Bischof der Kirchenprovinz Köln sei Genn zur einer solchen kirchenrechtlichen Untersuchung verpflichtet, wenn er Meldung darüber erhalte, dass der Erzbischof es unterlassen hat, zivile oder kirchenrechtliche Untersuchungen gegen einen Kleriker aufzunehmen, dem sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, hieß es. Hintergrund ist das 2019 von Papst Franziskus veröffentlichte Apostolische Schreiben „Ihr seid das Licht der Welt“. Darin hatte das Kirchenoberhaupt unter anderem eine Meldepflicht für Missbrauchsfälle angeordnet und auch die Vertuschung von sexuellem Missbrauch als Straftat definiert. Bereits im Dezember 2020 hatte Bischof Genn eine Meldung zu einem Missbrauchsfall im Erzbistum Köln an den Vatikan gemacht.
Bei dem ersten gemeldete Fall soll Woelki im Jahr 2015 nach Sichtung von Personalunterlagen verfügt haben, den Missbrauchsvorwürfen gegen einen inzwischen verstorbenen Pfarrer nicht weiter nachzugehen, keine kirchenrechtliche Voruntersuchung einzuleiten und den Fall nicht an den Apostolischen Stuhl in Rom zu melden. Das Opfer erhielt nach einer Prüfung des Falls eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro vom Erzbistum.
Zu dem neuen Fall machte das Bistum Münster keine Angaben. Wie die in Düsseldorf erscheinende „Rheinische Post“ (Samstag) berichtet, handelt es sich um Vorwürfe des Missbrauchs gegen einen Pfarrer, der von 1995 bis 2000 Kaplan in den Gemeinden St. Margareta/ St. Cäcilia in Düsseldorf-Gerresheim tätig war. Er war erst kürzlich beurlaubt worden, nachdem der Fall publik wurde. In einem Anfang der Woche veröffentlichten Offenen Brief kritisieren 140 Gemeindemitglieder das Erzbistum für sein Verhalten im Umgang mit den Missbrauchsfällen. Woelki wurde gebeten, an einer Firmung am 9. Juni nicht teilzunehmen.
In einer nicht öffentlichen Sitzung hatte sich der Erzbischof am Donnerstag den Fragen von etwa 40 Gemeindemitgliedern gestellt. Woelki äußerte Verständnis für Kritik. „Wir können Gräben nur überwinden, wenn wir miteinander reden. Ich kann viele Sorgen und Vorwürfe verstehen, und mir ist es wichtig, sie zu hören. Nur dann können wir zusammen weitergehen und Lösungen finden“, hieß es in einer Stellungnahme am Freitag.