Essen (epd). Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat für eine zügige Rückkehr zu einem normalen Betrieb in Kitas und Schulen geworben. Mit den fortschreitenden Impfungen gegen Corona könne über einen erworbenen Schutz von Kita- und Schulpersonal sowie den Eltern ein „Schutzkokon“ um Kinder und Jugendliche gebildet werden, sagte Giffey auf der Eröffnungsveranstaltung des - digitalen - Deutschen Kinder- und Jugendhilfetags (DJHT) am Dienstag in Essen.
Der Veranstalter des DJHT, die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ), erwartet nach Worten ihrer Vorsitzenden Karin Böllert einen „Mutmacher-Gipfel“ gegen einen „mürbe machenden“ Corona-Alltag: „Die Pandemie hat für Kinder und Jugendliche das Leben auf den Kopf gestellt - und zwar gravierender als für viele Erwachsene.“
Ministerin Giffey sieht in der erwarteten Impfung der über Zwölfjährigen einen wichtigen Baustein für einen wieder geregelten Schulbetrieb. Wohl noch im Mai will die europäische Arzneimittelbehörde EMA über die Empfehlung zur Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer ab 12 Jahren entscheiden. Im Anschluss könnte die Altersgruppe ab Juni geimpft werden, so die Erwartung Giffeys. Bislang gibt es in der EU für das Vakzin eine Zulassung erst ab 16.
Kinder und Jugendliche litten sehr unter der Situation und erlebten die Krise als „gewichtig“ in ihrem Leben, betonte die Ministerin. Bei den jetzt angestrebten Lockerungen angesichts sinkender Inzidenzen dürften die Kitas und Schulen deshalb nicht fehlen. Es gebe viele Kinder, die seit Monaten nicht in ihrer Kita gewesen seien und unter dem Verlust ihrer sozialen Kontakte litten.
Giffey unterstrich auf der Veranstaltung auch die Notwendigkeit einer Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter. Einen Rechtsanspruch darauf hat die Bundesregierung jüngst für die Zeit ab 2025 mit einem Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Etwa die Hälfte aller Grundschulkinder nutzt bereits ein Ganztagsangebot. Giffey geht aber von einem deutlich höheren Bedarf von 75 bis 80 Prozent aus.
Der Lockdown habe zu Defiziten beim Lernen geführt, betonte die AGJ-Vorsitzende Karin Böllert. Treffen mit Gleichaltrigen seien unmöglich gemacht worden. Auch für ältere Heranwachsende sei die Lage schwierig. Von den Studierenden etwa sei ein Drittel wieder zu den Eltern zurückgezogen, weil sie ihre Nebenjobs verloren hätten.
Vor diesem Hintergrund kritisierte Böllert eine „demokratisch nicht gerade kluge“ Corona-Politik, die junge Menschen nicht eingebunden habe. Es mache einen großen Unterschied bei der Akzeptanz notwendiger Krisenmaßnahmen, ob man eine starke Gruppe Betroffener bei anstehenden Entscheidungen berücksichtige „oder ihnen das Gefühl gibt, dass sowieso über ihre Köpfe hinweg entschieden wird“.
Böllert plädierte für ein künftiges staatliches Krisenmanagement, dass Minderjährigen und Heranwachsenden Einfluss bei einschneidenden Entscheidungen garantiert: „Um künftig Krisen zu bewältigen, muss die Jugend einen festen Platz an jedem Krisentisch haben - und zwar auf allen Ebenen: in den Kommunen, in den Ländern und im Bund.“
Bis Donnerstag nehmen zwischen 30.000 und 50.000 Online-Gäste an der Fachmesse und deren zahlreichen Foren teil. Zum Abschluss will sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) digital dazuschalten.