Berlin, Santiago de Chile (epd). In der verfassungsgebenden Versammlung in Chile haben ersten Teilergebnissen zufolge vor allem unabhängige und linksgerichtete Kandidaten einen Sitz errungen. Die konservative Regierungskoalition konnte nur 38 von 155 Sitzen in dem Gremium für sich gewinnen, wie die Tageszeitung „La Tercera“ in der Nacht zu Montag (Ortszeit) berichtete.
Präsident Sebastián Piñera sprach nach den Wahlen am Samstag und Sonntag von einem historischen Moment für das Land. Mehr als 2.000 Kandidatinnen und Kandidaten waren angetreten. Dabei sind 17 Sitze für die zehn offiziell anerkannten indigenen Völker reserviert, die über zehn Prozent der Gesamtbevölkerung Chiles ausmachen.
Zur Wahlniederlage seiner konservativen Koalition sagte Piñera, er habe mit „Demut und Aufmerksamkeit“ die Botschaft des Volkes gehört. Seine Regierung und alle traditionellen Politiker des Landes müssten nach dem Wahlergebnis, eine „tiefe Reflexion“ vornehmen.
Im Oktober vergangenen Jahres hatten sich knapp 80 Prozent der Wähler für die Ablösung der alten, noch aus Zeiten der Pinochet-Diktatur (1973 bis 1990) stammenden Verfassung ausgesprochen. Das Referendum galt als wichtigste Abstimmung in der jungen chilenischen Demokratie.
Die Chilenen setzen große Hoffnungen in eine neue Verfassung. Bislang sind die Rechte von Indigenen in der Konstitution nicht verankert, es fehlt die Festschreibung grundlegender sozialer Rechte und die Rolle des Staates wurde auf ein Minimum reduziert. Zivilgesellschaftliche Organisationen sehen in der alten Verfassung den Grund für die tiefe soziale Ungleichheit und verringerte Bildungschancen für einen Großteil der Bevölkerung.
Wenn sich das Verfassungskonvent konstituiert hat, haben die Mitglieder ein Jahr Zeit, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Diese soll dann der Bevölkerung in einem weiteren Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden.
Vor rund eineinhalb Jahren kam es zu landesweiten teils gewaltsamen Protesten, die sich an den hohen Lebenshaltungskosten und der sozialen Ungleichheit entzündeten. Die Proteste weiteten sich zu einer Bewegung für eine Verfassungsreform aus.