Historiker Nolte sieht keine Einschränkung der Meinungsfreiheit

Historiker Nolte sieht keine Einschränkung der Meinungsfreiheit
01.05.2021
epd
epd-Gespräch: Corinna Buschow

Berlin (epd). Der Historiker Paul Nolte sieht keine Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland. „Viele Freiheiten sind in der Pandemie beschränkt, und wir sollten sehen, dass wir diese Freiheiten möglichst schnell zurückbekommen“, sagte Nolte in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für die Meinungsfreiheit sehe er diese Gefahr aber nicht. „Ich finde, es wird sogar ziemlich heftig debattiert“, sagte er. Regierungshandeln werde kritisch auf den Prüfstand gestellt.

Heftige Diskussionen seien „mehr als angebracht“, ergänzte der Berliner Professor. „Diese Pandemie findet nicht nur jetzt statt, und im Herbst wird der Schalter auf 'normal'“ gestellt", sagte er. Sie werde Politik und Alltagsverhalten über Jahrzehnte prägen.

Angesprochen auf eine vermeintliche „Cancel Culture“ sagte Nolte, er finde den Begriff unglücklich, „es gibt aber ein damit bezeichnetes Phänomen, das durchaus real ist“. Es gebe eine neue Sensibilität gegenüber der Geschichte und dem, was daraus folgt. „Das schlägt sich nieder in Debatten über historische Schriften, die Antisemitismus enthalten, oder Straßennamen“, sagte er.

Diese Debatten schießen nach seiner Ansicht übers Ziel hinaus, wenn sie einem aktivistischen Handlungsmuster folgen, „mit Absolutheit und Rigorismus“. „Wenn die aktivistische Position umstandslos zur neuen Norm erklärt wird, droht Gefahr für die Freiheit“, sagte er. Als Historiker finde er es bedenklich, gegenüber vergangenen Überlieferungen mit einem moralischen Richturteil aufzutreten. „Darin lauert eine Selbstgerechtigkeit der Gegenwart“, sagte er.

Problematisch sei etwa, wenn diejenigen, die sich gegen eine Forderung stellen, Rassisten genannt werden. Das sei ein Muster der Ausgrenzung Andersdenkender. „Nicht jeder Skeptiker der Homoehe ist schon 'homophob'“, sagte Nolte. „Die Ungeduld mancher Aktivisten ist mir da zu groß“, ergänzte er und forderte, „geduldiger sein mit Menschen, die mehr Zeit brauchen, diesen Wandel zu verstehen und zu verdauen“.