Düsseldorf (epd). Wegen der Einschränkungen der Corona-Pandemie ist im vergangenen Jahr in Deutschland die Zahl der Streiks gegenüber 2019 leicht zurückgegangen. Laut der am Dienstag vorgelegten Arbeitskampfbilanz des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung fielen 2020 bundesweit aufgrund von Arbeitskämpfen rund 342.000 Arbeitstage aus. Das bedeutete gegenüber dem Jahr zuvor einen Rückgang von fünf Prozent, wie die gewerkschaftsnahe Stiftung in Düsseldorf mitteilte.
Auch die Zahl der Teilnehmer an den Arbeitsniederlegungen habe mit 276.000 etwa auf dem Niveau von 2019 gelegen. Ingesamt wurden 157 Arbeitskampfmaßnahmen gezählt - das war etwa ein Viertel weniger als in den Vorjahren. Die WSI-Forscher verwiesen darauf, dass schon 2019 die Arbeitskampfmaßnahmen im Vergleich zu 2018 auf einem niedrigen Niveau lagen. So hatten sich 2018 insgesamt 1,15 Millionen Beschäftigte an Arbeitsniederlegungen beteiligt.
Nach Angaben des WSI hat die Corona-Pandemie vor allem im Frühjahr 2020 die Tarifpolitik beeinflusst. Statt Verhandlungen über Entgelte oder Arbeitszeiten standen in etlichen Branchen zunächst tarifliche Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung sowie zur Aufstockung des gesetzlichen Kurzarbeitergeldes im Vordergrund. Ab Sommer 2020 nahm jedoch "auch das normale Tarifgeschehen wieder an Fahrt" auf, wie es hieß. Im Laufe des Jahres habe sich "gezeigt, dass auch unter Corona-Bedingungen die Interessen- und Verteilungskonflikte nicht verschwinden, sondern im Gegenteil vielfach sogar besonders akzentuiert werden", erklärten die Autoren Thorsten Schulten, Heiner Dribbusch und Jim Frindert in der WSI-Analyse.
Auch im laufenden Jahr seien die Tarifauseinandersetzungen maßgeblich von der Corona-Pandemie bestimmt, hieß es weiter. Dabei rücke die Frage, "wer denn die Kosten der Pandemie trägt, immer mehr in den Mittelpunkt und prägt damit auch die Verteilungskonflikte zwischen den Tarifvertragsparteien", betonten die Forscher. Für dieses Jahr sei zudem mit deutlich mehr Arbeitskämpfen als 2019 zu rechnen. So haben sich nach Angaben der IG Metall im Rahmen der Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie Anfang dieses Jahres bereits mehr als 800.000 Beschäftigte an Warnstreiks beteiligt.
In der internationalen Streikstatistik belegt Deutschland für den Zeitraum 2010 bis 2019 einen Platz im unteren Mittelfeld. Die meisten Ausfalltage aufgrund von Arbeitskämpfen gab es laut WSI-Bericht in diesem Zeitraum in Frankreich und Belgien, die wenigsten in der Schweiz und Slowakei.