Berlin (epd). Deutschland stoppt die Corona-Impfungen mit dem Mittel von Astrazeneca weitgehend für Menschen unter 60 Jahren. Nach einer aktuellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission entschieden am Dienstag die Gesundheitsminister und Regierungschefs von Bund und Ländern, das Vakzin wegen einer aufgetauchten Nebenwirkung uneingeschränkt nur noch an über 60-Jährige zu vergeben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am späten Abend, dies sei "ohne Frage ein Rückschlag" für die Impfkampagne. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die gemeinsam mit ihm vor die Presse getreten war, warb für weiteres Vertrauen und Zuversicht.
Die Frage sei nach wie vor nicht "Astrazeneca oder kein Impfstoff", sagte Merkel und verwies auf die erwarteten größeren Liefermengen anderer Hersteller in den nächsten Wochen. Zunächst müsse die Impfkampagne nach dem weitgehenden Stopp von Astrazeneca aber neu organisiert werden, was Lieferungen an Impfzentren, mobile Teams und nach Ostern Hausarztpraxen betrifft, sagte sie. Bund, Länder und Kommunen würden dies gemeinsam anpacken.
Die Stiko am Robert-Koch-Institut hatte am Dienstag empfohlen, das Vakzin gegen Covid-19 nur noch an Menschen ab 60 Jahren zu vergeben. Grund ist eine seltene, aber schwere Nebenwirkung: Insbesondere bei Frauen unter 60 Jahren waren Hirnvenenthrombosen aufgetreten. Laut Paul-Ehrlich-Institut gab es bis Montag 31 solcher Fälle im zeitlichen Zusammenhang mit einer Astrazeneca-Impfung, neun davon verliefen tödlich. Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen sowie einzelne Kommunen und Kliniken hatten schon vor der aktuellen Stiko-Empfehlung die Impfungen mit dem Vakzin des schwedisch-britischen Herstellers bei Jüngeren ausgesetzt.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern folgten der Stiko-Empfehlung. Gleichzeitig beschlossen sie, dass 60- bis 69-Jährige nun schneller ein Angebot für eine Impfung mit Astrazeneca erhalten sollen. Über das Vorziehen entscheiden die Länder. In diese Altersgruppe fällt auch Kanzlerin Merkel, die stets betont hatte, sich erst impfen zu lassen, wenn sie an der Reihe sei. Auf die Frage, ob sie sich mit Astrazeneca impfen lassen würde, sagte sie am Dienstagabend: "Die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, ist für mich näher gerückt." Sie betonte dabei erneut, dass für sie dabei auch Astrazeneca in Betracht käme.
Auch für Jüngere ist die Impfung mit Astrazeneca dem Beschluss der Gesundheitsminister künftig nicht völlig ausgeschlossen. Bei Personen aus den Priorisierungsgruppen eins und zwei, die jünger als 60 sind, soll Astrazeneca weiter zum Einsatz kommen, wenn das unter Abwägung von Risiko und Nutzen mit dem Arzt so entschieden wird. Betroffene der Gruppen eins und zwei haben ein besonders hohes Risiko eines schweren oder sogar tödlichen Verlaufs von Covid-19. Sie profitieren also von einer Impfung am meisten.
Auch Zweitimpfungen mit Astrazeneca sollen nach Rücksprache mit dem Arzt zunächst möglich bleiben, entschieden die Gesundheitsminister. Eine zusätzliche Empfehlung dazu will die Stiko bis Ende April vorlegen. Weil der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung bei Astrazeneca mit zwölf Wochen relativ groß ist, gab es bislang nur wenig Zweitimpfungen mit diesem Vakzin: Laut Robert Koch-Institut wurden bislang fast 2,7 Millionen Erstimpfungen vergeben. 767 Menschen haben die Zweitimpfung erhalten.
Insgesamt wurden bis Montagabend in Deutschland 13,2 Millionen Impfdosen aller Hersteller verabreicht, 9,2 Millionen davon Erstimpfungen. 11,1 Prozent der Bevölkerung haben der RKI-Statistik zufolge mindestens eine Corona-Schutzimpfung erhalten.