Gütersloh, München (epd). Die Wunschvorstellung zur Arbeitszeit klafft einer aktuellen Studie zufolge bei Frauen und Männern in Deutschland auseinander. Jeder zweite erwerbstätige Mann würde gerne weniger arbeiten, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Analyse im Auftrag der Gütersloher Bertelsmann Stiftung. Bei den Frauen im Beruf seien es mit 41 Prozent deutlich weniger. Dagegen würden gern 17 Prozent der weiblichen Arbeits- und Fachkräfte ihre Wochenstunden ausweiten, bei den Männern sind es nur neun Prozent, wie es hieß.
Für die Studie hat das Münchner ifo Institut im Auftrag der Stiftung die Entwicklung der tatsächlichen und gewünschten Arbeitszeiten seit 1985 differenziert nach Geschlecht, Beschäftigungstyp und Alter untersucht. Die Forscher werteten dafür Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus und verglichen sie mit denen der repräsentativen Längsschnittstudie "Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung". Für diese werden seit 2006 jährlich etwa 15.000 Menschen ab 15 Jahren befragt.
Insbesondere Müttern fällt es demnach schwer, ihre Arbeitszeitwünsche zu realisieren. Das sei aber nicht auf die Kinder, sondern auf den Mangel an Betreuungsmöglichkeiten oder die zu hohen Kosten dafür zurückzuführen, erklärten die fünf Autorinnen und Autoren der Studie. Ließen sich Familie und Beruf gut miteinander vereinbaren, könnten auch Arbeitszeitwünsche besser verwirklicht werden. "Auch acht Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz müssen die Angebote ausgeweitet werden", betonte der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger.
Bei den Vätern habe die Betreuung der Kinder hingegen so gut wie keinen Einfluss auf ihre Arbeitszeiteinteilung, hieß es. Hier offenbarten sich noch immer dominierende Rollenklischees von Frauen, die erziehen sollten, und Männern, die Familien zu versorgen hätten. Die Corona-Pandemie verschärfe die Situation. Erste Untersuchungen zeigten, dass sich die Kita- und Schulschließungen negativ auf die Arbeitszeitwünsche von Müttern auswirken. Ohne funktionierende Kinderbetreuung zögen sie sich weiter aus der Erwerbsarbeit zurück.
Den Statistiken zufolge sind mit 83 Prozent ein Großteil aller Teilzeitbeschäftigten weiblich. Bei den Erwerbstätigen in Vollzeit dreht sich das Verhältnis um: 67 Prozent sind hier Männer. Mit durchschnittlichen 41 Stunden pro Woche arbeiten sie neun Stunden mehr als Frauen, Überstunden eingerechnet. Wenn sie könnten, würden viele männliche Vollzeitbeschäftigte ihre Arbeitszeit um bis zu vier Stunden reduzieren, ergab die Studie.
Dräger mahnte ein gesellschaftliches Umdenken in der Erwerbs- und Sorgearbeit an: "Unsere Analysen zeigen: Das Potenzial für die Angleichung von Arbeitszeiten ist da." Das Autoren-Team der Studie forderte mehr flexible Arbeitzeitregelungen in der Wirtschaft, einhergehend mit dem Ausbau von Kita-Plätzen und Ganztagsschulen. Als "Fehlanreize" werden dagegen der Steuertarif für Ehepaare - das sogenannte Ehegatten-Splitting - und Minijobs kritisiert. Diese könnten dazu führen, dass Frauen mangels finanzieller Anreize weniger arbeiten als sie eigentlich möchten, hieß es.