Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnt zum Weltfrauentag vor einem Rückfall in alte Rollenmuster in der Corona-Pandemie. Das Motto der Vereinten Nationen in diesem Jahr - "Frauen in Führungspositionen: Für eine ebenbürtige Zukunft in einer Covid-19-Welt" - sei sehr treffend gewählt, sagte Merkel am Samstag in ihrem wöchentlichen Podcast. "Denn wir müssen darauf achten, dass die Pandemie nicht dazu führt, dass wir in manch schon überwunden geglaubtes Rollenmuster zurückfallen." So seien es vermehrt Frauen, die den Spagat zwischen Homeschooling, Kinderbetreuung und dem eigenen Beruf meisterten.
Und es seien vor allem auch Frauen, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz in sozialen und Pflegeberufen derzeit besonders gefordert seien. Merkel verwies dabei aber auf die Unterschiede in der Stellung: "Über 75 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitsbereich - von ärztlichen Praxen und Krankenhäusern über medizinische Labore bis hin zu Apotheken - sind Frauen", erklärte sie. "In den Führungspositionen finden sich hier dagegen nur knapp 30 Prozent Frauen."
Die Kanzlerin mahnte zum Weltfrauentag an diesem Montag ein stetiges Prüfen noch fehlender Schritte zur Gleichstellung an. "Ein Blick in die Führungsetagen der Wirtschaft, aber auch der Politik zeigt uns, dass wir jedenfalls noch nicht am Ziel sind", betonte sie. "Es kann nicht sein, dass Frauen unsere Gesellschaften maßgeblich tragen und gleichzeitig nicht gleichberechtigt an wichtigen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beteiligt sind." Nötig sei Parität in allen Bereichen. "Dazu gehört auch: Frauen müssen endlich so viel verdienen können wie Männer!"
Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) kritisierte, es gebe immer noch viel zu wenig Frauen in den Führungsetagen von Wirtschaft, Politik, Medien oder dem Gesundheitsbereich. "Es gibt immer noch Männerzirkel, die gern unter sich bleiben", sagte sie.
Frauenrechte stünden in der Pandemie besonders unter Druck, erklärte die Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gabriela Heinrich. Die Pandemie verdeutliche die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und vergrößere sie weiter.
Arbeitsmarkt und Politik in der Corona-Pandemie hätten die Gleichberechtigung "um Jahrzehnte zurückgeworfen", kritisierte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Und das in einer Situation, in der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, in Beruf und Karriere ohnehin deutlich benachteiligt seien. "Wir brauchen einen richtigen großen Sprung nach vorne - und zwar jetzt, gerade in der Corona-Krise!", forderte Loheide. Die Pandemie dürfe kein Vorwand sein, Benachteiligungen und ungerechte Machtverhältnisse zu zementieren.
Die Corona-Krise habe gezeigt, dass die alten Rollenmuster fest verankert seien, bemängelte auch die Theologin Margot Käßmann. "Es ist eine Illusion, dass so getan wurde, Männer und Frauen seien gleichberechtigt, und es gebe in Deutschland da kein Problem mehr", sagte Käßmann dem epd. Empört zeigte sich die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über den Umgang mit sogenannten systemrelevanten Berufen, die vor allem von Frauen geleistet würden. Sie seien der Gesellschaft offenbar wenig wert: "Die Altenpflegerin, die Erzieherin und auch die Frauen, die uns mit Lebensmitteln versorgen - das sind dominant Frauenberufe und glasklar schlecht bezahlte Berufe", kritisierte sie. "Das hängt offensichtlich zusammen, und da muss sich etwas ändern."
epd svo