Berlin (epd). Als Konsequenz aus rechtsextremen Vorfällen in der Bundeswehr hat die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), einen Ausbau der politischen Bildung und schnellere Verfahren vor den Truppengerichten gefordert. Bei der politischen Bildung müsse es noch einmal einen Schub geben, sagte Högl am Dienstag bei Vorstellung ihres ersten Jahresberichts als Wehrbeauftragte in Berlin. Das Thema dürfe wegen der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie für die Bundeswehr nicht hinten runterfallen, sagte sie. Zudem beklagte sie, dass die Verfahren zu lange dauerten.
Bei der Bundeswehr waren 2020 erneut mehr extremistische Verdachtsfälle gemeldet worden. Högl zufolge gab es 211 Berichte zu sogenannten meldepflichtigen Ereignissen, bei denen es den Verdacht der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats, einer unzulässigen politischen Betätigung oder Volksverhetzung gab. 2019 waren es 178 Meldungen. Mit leichten Schwankungen nimmt die Zahl seit Jahren zu. Der Bericht nennt Beispiele ausschließlich für rechtsextremistische Vorfälle, etwa das Teilen rechtsextremistischer und antisemitischer Inhalte in Chatgruppen.
In vielen der Fälle wurden die Bundeswehrangehörigen vorzeitig aus dem Dienst entlassen, in einigen Fällen hatte dies auch strafrechtliche Konsequenzen. Im Schnitt dauern die Verfahren vor Truppengerichten Högl zufolge rund 20 Monate. Als besonders drastisches Beispiel langer Verfahren nannte sie die Ermittlungen rund um eine Party beim Kommando Spezialkräfte (KSK) im Jahr 2017, bei der der Hitlergruß gezeigt und Schweineköpfe geworfen worden sein sollen. Der Fall sei vier Jahre später noch nicht aufgeklärt und sanktioniert, kritisierte Högl. Um Verfahren zu beschleunigen, forderte sie mehr Personal bei den Wehrdisziplinaranwälten und Truppengerichten.
Högl hatte vor neun Monaten das Amt der Wehrbeauftragten angetreten. Einmal im Jahr legt sie einen Bericht vor, der zeigt, wo bei den Soldaten der Schuh drückt. Regelmäßig geht es um schlechte Ausstattung oder schleppende Bauvorhaben. Im vergangenen Jahr habe auch bei der Bundeswehr die Corona-Pandemie Probleme verursacht, sagte Högl und verwies unter anderem auf verschobene Lehrgänge und Probleme bei der Unterbringung der Soldatinnen und Soldaten.
Lobend hob sie die Amtshilfe der Truppe zur Bewältigung der Pandemie hervor, etwa bei der Unterstützung der Gesundheitsämter sowie bei Tests in Alten- und Pflegeheimen. Sie forderte, die Beteiligten mit einer Einsatzmedaille auszustatten, die es sonst für Auslandseinsätze gibt. Dies wäre eine verdiente Anerkennung, sagte Högl.
Im Bereich der Bildung fordert der Bericht von Högl die Einbindung von Militärseelsorgern beim Ethik-Unterricht. Bedauerlicherweise stehe immer noch die Absicht zur Debatte, den Unterricht den Disziplinarvorgesetzten als zusätzliche Pflicht aufzubürden, heißt es darin. Die Dienstvorschrift für Ethische Bildung in der Bundeswehr wird demnach derzeit überarbeitet. Högl argumentiert, auch mit der Unabhängigkeit der Seelsorger, die in der Bundeswehr den sogenannten Lebenskundlichen Unterricht abhalten. Dies erleichtere den Soldaten, "den eigenen Wertekompass zu schärfen und gegebenenfalls auch Handlungen, Entscheidungen und Vorgehensweisen von Kameraden oder Vorgesetzten kritisch zu hinterfragen".
Im Bericht fordert Högl auch, minderjährige Soldaten künftig nicht mehr an der Waffe auszubilden. Im Bericht betont sie, dass die Rekrutierung Minderjähriger eine Ausnahme sein müsse. 2020 waren sieben Prozent der neu in die Bundeswehr eingetretenen Soldatinnen und Soldaten noch nicht 18 Jahre alt. Insgesamt wurden 1.148 17-Jährige mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter als freiwillige Soldaten eingestellt, 231 davon junge Frauen. Dies war dem Bericht zufolge ein Rückgang gegenüber 2019, als es 1.705 Diensteintritte von Minderjährigen gab.