Homeoffice-Pflicht: Behörden setzen auf Gespräche statt Bußgelder

Homeoffice-Pflicht: Behörden setzen auf Gespräche statt Bußgelder
Seit Jahresbeginn arbeiten mehr Beschäftigte von zu Hause aus
Seit drei Wochen müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten das Arbeiten von zu Hause aus ermöglichen. Bei Kontrollen zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung setzen die Bundesländer auf Dialog mit den Firmen.

Frankfurt a.M. (epd). Die Arbeitsschutzbehörden sind zunehmend damit befasst, möglichen Verstößen gegen die Verpflichtung der Arbeitgeber zu Homeoffice-Angeboten nachzugehen. Zunächst wird meist das Gespräch gesucht, ohne dass ein Bußgeld fällig wird, wie Anfragen des Evangelischen Pressedienstes (epd) in den Bundesländern ergaben. Rund ein Viertel der Erwerbstätigen arbeitet laut einer Umfrage der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im aktuellen Corona-Lockdown zu Hause.

Demnach gaben 24 Prozent an, Ende Januar vorwiegend oder ausschließlich im Homeoffice gearbeitet zu haben. Nachdem Appelle der Politik zu Beginn der zweiten Pandemiewelle im Herbst nicht bei allen Arbeitgebern gefruchtet hatten, wurden diese am 27. Januar mit der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung dazu verpflichtet, das Arbeiten von zu Hause aus anzubieten, wenn dem keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.

In Thüringen gab es seitdem 90 Kontrollen in Betrieben. Dabei seien neun Verstöße aufgedeckt worden, bei denen keine Arbeit von zu Hause ermöglicht wurde, obwohl die Tätigkeiten dies zugelassen hätten, sagte am Dienstag eine Sprecherin des Sozialministeriums. In keinem dieser Fälle seien Maßnahmen angeordnet worden, aus denen sich bisher ein Bußgeldtatbestand ergeben könnte. Die Behörde habe die festgestellten Mängel beim Arbeitgeber schriftlich und unter Fristsetzung beanstandet. Zusätzlich seien die Firmen in einem Beratungsgespräch auf die Vorschriften hingewiesen worden.

Beim Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit gingen binnen drei Wochen etwa 75 Beschwerden ein. Das rheinland-pfälzische Sozialministerium teilte mit, es gebe zu der Verordnung vereinzelte Anfragen und Beschwerden. Vonseiten der Arbeitnehmer werde zumeist bemängelt, dass die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz unzureichend seien oder dass der eigene Arbeitsplatz Homeoffice-tauglich sei, der Arbeitgeber dies aber anders sähe. Bei Konflikten suchten die Behörden das Gespräch mit allen Beteiligten. "Die Arbeitsschutzaufsicht zeichnet sich durch einen dialogorientierten Vollzug aus", sagte ein Ministeriumssprecher.

Hessen will bis zum 15. März 1.000 Betriebe daraufhin überprüfen, ob zwingende betriebliche Gründe, die dem Homeoffice entgegenstehen, vom Arbeitgeber nachvollziehbar dargestellt werden. Zum Stand der Überprüfungen seien drei Wochen nach Inkrafttreten der Verordnung noch keine Aussagen möglich, hieß es aus dem Sozialministerium in Wiesbaden. In Nordrhein-Westfalen sind laut Arbeitsministerium in den ersten beiden Tagen nach Inkrafttreten der Arbeitsschutzverordnung Ende Januar rund 70 Beschwerden eingegangen, in den acht Tagen davor etwa 100 Anfragen.

Laut Hans-Böckler-Stiftung betrug der Homeoffice-Anteil während der ersten Corona-Welle im April vergangenen Jahres 27 Prozent gegenüber 24 Prozent aktuell. Am Ende des vergangenen Jahres sah es hingegen anders aus: Lediglich 14 Prozent waren im November laut Erhebung im Homeoffice und 17 Prozent im Dezember. Die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Stiftung, Bettina Kohlrausch, sagte im Rückblick auf diese "irritierend niedrige Quote", dass erst der öffentliche Druck und schließlich die Verordnung zum Homeoffice zu mehr mobiler Arbeit geführt hätten.

Rund ein Drittel der Befragten, die aktuell zu Hause arbeiten, gab in der Umfrage an, dass die Beschlüsse der Bundesregierung ein Grund für ihren Wechsel ins Homeoffice gewesen seien. Häufig, weil ihr Arbeitgeber dann erst Heimarbeit ermöglicht habe, zum Teil jedoch wohl auch, weil sie selbst nun konsequenter zu Hause arbeiten.

Bei der sogenannten Erwerbspersonenbefragung wurden den Angaben zufolge Ende Januar mehr als 6.200 Erwerbstätige und Arbeitsuchende online befragt. Zuvor gab es diese Interviews bereits im April, im Juni und im November 2020. Die Befragten bildeten die Erwerbstätigen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab.

epd lde/mey/kfr jup