Düsseldorf (epd). Die Mehrheit der Beschäftigten (65 Prozent) sorgt sich einer Umfrage zufolge nicht oder kaum um eine Ansteckung mit dem Coronavirus bei der Arbeit. Allerdings bleibe der Anteil derjenigen, die eine Ansteckung am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin fürchten, mit rund einem Drittel (35 Prozent) weiterhin hoch, heißt es in einer am Donnerstag in Düsseldorf veröffentlichten Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Trotz der inzwischen verschärften Corona-Maßnahmen entspreche dies dem Niveau der Vormonate. In den Sommermonaten Juni und Juli lag die Zahl der Besorgten allerdings mit je 25 Prozent deutlich niedriger.
Für die Untersuchung griff das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Stiftung auf Daten seines Portals "Lohnspiegel.de" zurück, das kontinuierlich Erwerbstätige online befragt. Für die Analyse wurden 34.257 Datensätze ausgewertet, die von Anfang April 2020 bis Ende Januar 2021 erhoben wurden. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, wie das WSI erläuterte. Aber aufgrund der hohen Fallzahlen erlaubten die Ergebnisse detaillierte Einblicke in die Arbeitsbedingungen in Deutschland.
Die Befragten konnten nach Angaben der Böckler-Stiftung auf die Frage, ob sie sich um eine Ansteckung sorgten mit "ja, voll und ganz", "eher ja", "eher nein" und "nein" antworten. Von den rund 34.000 Befragten wählten insgesamt 35 Prozent eine der ersten beiden Optionen. Die übrigen 65 Prozent antworteten mit "eher nein" und "nein".
Besonders verbreitet ist die Sorge vor einer Ansteckung bei Beschäftigten, die in ihrem Beruf regelmäßig engen Kontakt zu anderen Menschen haben und deshalb auch bei guten Arbeitsschutzmaßnahmen besonders exponiert sind, wie das WSI erläuterte. So hätten seit Beginn des zweiten Lockdowns am 2. November 2020 mehr als die Hälfte der Befragten aus den Bereichen Erziehung und Soziales (57 Prozent) und den medizinischen Gesundheitsberufen (52 Prozent) angegeben, Sorgen vor einer berufsbedingten Ansteckung zu haben. Es folgen die Verkaufsberufe (47 Prozent) sowie die nichtmedizinischen Gesundheitsberufe (46 Prozent) etwa in der Altenpflege.
Auch in Berufsfeldern mit geringerem Risiko gebe es Beschäftigte, die sich Sorgen vor einer Ansteckung machten, hieß es. Hierzu zählten die Bereiche Produktion und Fertigung (31 Prozent), Informatik und Kommunikationstechnologie (28 Prozent) sowie Bürotätigkeiten in der Unternehmensführung und -organisation (29 Prozent).
"Viele Arbeitgeber haben schnell und vorbildlich auf die neue Lage reagiert, aber leider ist das noch nicht überall der Fall", erklärte Elke Ahlers, Arbeits- und Gesundheitsexpertin des WSI. So habe seit Beginn des zweiten Lockdowns zwar eine Mehrheit der Befragten (54 Prozent) ihrem Arbeitgeber attestiert, bereits ausreichende betriebliche Maßnahmen umgesetzt zu haben. Jeder dritte Befragte (33 Prozent) sehe dies jedoch nur mit Einschränkungen so. Jeder Achte (12,5 Prozent) vermisse ausreichende Maßnahmen seitens des Arbeitsgebers.
Viele Arbeitgeber beschränkten sich darauf, von ihren Beschäftigten die Einhaltung der Hygieneregeln, der Pflicht zum Maskentragen oder zum Abstandhalten anzumahnen, hieß es. Sie passten aber die Leistungsanforderungen nicht an die veränderten Umstände an, die vor allem bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten durch das dauerhaft erschwerte Atmen beim Tragen einer Maske entstehen können.
Ein weiterer Kritikpunkt sei die seit Jahren mangelhafte Umsetzung der nach dem Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen körperlicher und psychischer Belastungen. "Leider ist die Arbeitsschutzaufsicht in Deutschland personell sehr dünn aufgestellt", kritisierte Ahlers. "Das rächt sich jetzt in der Corona-Pandemie, da der Staat die Einhaltung der Corona-Arbeitsschutzregeln nicht flächendeckend überwachen kann." Demnach wird ein Betrieb in Deutschland statistisch gesehen nur alle 25 Jahre auf die Einhaltung des Arbeitsschutzes kontrolliert.