Wuppertal (epd). Der jüdische Religionsunterricht an deutschen staatlichen Schulen ist nach Auffassung der Religionspädagogin Sandra Anusiewicz-Baer weder hinreichend auf die Interessen heutiger Jugendlicher noch auf die Bedürfnisse der jüdischen Gemeinden ausgerichtet. Auf einer Konferenz im sogenannten "Denkraum" der evangelischen kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel sagte die Anusiewicz-Baer am Mittwoch, Schülerinnen und Schüler lernten im jüdischen Religionsunterricht zwar das Hebräische zu lesen und Auszüge aus dem Talmud zu verstehen, aber nicht ihre Identität als junge Jüdinnen und Juden zu bilden. Auch werde dabei zu wenig Bezug zu den jüdischen Gemeinden in den jeweiligen Orten hergestellt.
In Nordrhein-Westfalen wird in Städten, in denen es jüdische Gemeinden gibt, jüdischer Religionsunterricht angeboten, selbst wenn nur wenige Schülerinnen und Schüler daran teilnehmen. Anusiewicz-Baer begrüßte, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland keine Mindestzahl von Teilnehmenden erforderlich sei. Neben den staatlichen Schulen böten jüdische Gemeinden in geringem Umfang Religionsunterricht in eigener Regie an. Die dortigen Lehrkräfte seien aber nicht immer systematisch ausgebildet.
Seit 2001 werden in Deutschland jüdische Religionslehrerinnen und -lehrer für staatliche Schulen an der Uni Heidelberg ausgebildet. Erst seit dem Zuzug jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus der GUS-Staaten in den 90er Jahren sei überhaupt vermehrt Nachfrage nach jüdischem Religionsunterricht entstanden, erläuterte die Religionspädagogin. Ziel dieses Unterrichts sei es, Grundlagen der hebräischen Sprache zu vermitteln. Anusiewicz-Baer, die an der School of Jewish Theology der Uni Potsdam lehrt, beklagte jedoch, dass der Unterricht sich darauf beschränke, Texte aus dem Talmud zu lesen und weniger das praktische religiöse Leben vermittle.