Genf, New York (epd). Der internationale Vertrag über das Verbot von Atomwaffen tritt in Kraft - aber ohne einen Beitritt Deutschlands. Der in New York vor mehr als drei Jahren ausgehandelte Pakt ächtet ab diesem Freitag den Einsatz von Atomwaffen ebenso wie deren Entwicklung, Herstellung, Besitz, Weitergabe, Lagerung und Stationierung. Außerdem ist die Drohung eines Einsatzes verboten. Friedensorganisationen forderten die Bundesregierung am Donnerstag auf, dem Vertrag beizutreten. Doch das Auswärtige Amt hat Bedenken.
Der Atomwaffenverbots-Vertrag wurde 2017 in der UN-Generalversammlung angenommen. Bislang wurde er von rund 50 Staaten ratifiziert. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, sprach vom Höhepunkt einer weltweiten Bewegung gegen die Massenvernichtungswaffen. Das Abkommen sei ein klares Signal zur totalen Eliminierung der Kriegsinstrumente. Die neun Atomwaffenmächte lehnen den Pakt jedoch ab. Für diejenigen Staaten, die sich dem Abkommen nicht anschließen, sind die Bestimmungen rechtlich nicht bindend.
Kritik am Nicht-Beitritt Deutschlands äußerten die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) und die Organisation Ärzte gegen Atomkrieg (IPPNW). Sie fordern den Abzug der US-Atomwaffen aus dem rheinland-pfälzischen Büchel. ICAN wurde 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, ebenso wie IPPNW bereits im Jahr 1985.
Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, würdigte den Vertrag ein großer Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt. "Angesichts einer mangelnden nuklearen Abrüstung, der Modernisierung und auch der Verbreitung von Atomwaffen kann eine solche völkerrechtliche Festlegung den notwendigen Druck aufbauen, dass diese Waffen endlich aus der Welt verbannt werden", erklärte er.
Das Rote Kreuz sprach von einem "historischen Tag". Noch vor wenigen Jahren sei ein Verbot der Atomwaffen unvorstellbar gewesen. In dem Vertrag ist festgeschrieben, dass er 90 Tage nach der Einreichung des 50. Ratifikations-Dokuments bei den UN in Kraft treten soll. Honduras hatte im Oktober für das Erreichen der nötigen Mindestzahl gesorgt.
Die Bundesregierung begründet ihren Nichtbeitritt mit dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Atomwaffensperrvertrag), den Deutschland bereits vor mehreren Jahrzehnten ratifiziert hat. Hier sei bereits der notwendige Handlungsrahmen für globale Abrüstungsschritte gegeben, heißt es in einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Die Bundesregierung sieht eine "Spannung" zwischen beiden Verträgen und befürchtet, das die kategorische Ächtung von Nuklearwaffen zu einer Fragmentierung und realen Schwächung internationaler Abrüstungsbemühungen führen könnte.
Die Wissenschaftlichen Dienste im Bundestag kommen indes zum Ergebnis, dass zumindest juristisch kein Widerspruch besteht. Die abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, warf der Bundesregierung "juristische Ausflüchte" vor, die lediglich ein Vorwand seien, um unter anderem an der weiteren Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland festzuhalten.
Laut dem Atomwaffensperrvertrag von 1970 dürfen nur China, Frankreich, Großbritannien, Russland (früher: Sowjetunion) und die USA Atomwaffen besitzen. Sie verpflichten sich aber, Verhandlungen über eine vollständige Abrüstung zu beginnen. Das geschah bislang nicht. Die weiteren Nuklearmächte Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea sind keine Mitglieder des Atomwaffensperrvertrages. Die neun Länder zusammen verfügen laut Schätzungen über mehr als 13.400 Atomsprengköpfe.
epd lnh/lob/her/svo/mey fu