Düsseldorf (epd). Die Erstürmung des US-Kapitols durch Anhänger des scheidenden Präsidenten Donald Trump ist nach den Worten des Philosophen Peter Sloterdijk keine Zäsur in der Geschichte westlicher Demokratien. "Es ist ein Ereignis, von dem man sagen kann, dass es den Sprung vom Fantastischen ins Berechnete vollzog", sagte Sloterdijk der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montag). "Dass es in den USA sehr Washington-feindliche Regungen gibt und dass aus den einzelnen Staaten Impulse kommen, die die föderale Struktur infrage stellen, wusste man seit langen." Ihn hätte es vielmehr überrascht, wenn Trump "ohne putschistische Gesten" aus dem Amt gegangen wäre.
Was an dem Vorgang auffalle, sei, dass die lokalen Autoritäten die Angreifer offenbar nicht als ernstzunehmende Revolutionäre oder Rebellen eingestuft hätten. "Andernfalls hätten sie das Feuer eröffnet. Man hielt das Ganze offenbar für eine große Clownerie", sagte der Philosoph. Die Aktivisten hätten von einer "Begnadigung durch Nicht-Ernstnehmen" profitiert, führte Sloterdijk weiter aus. "Das ist die entscheidende Pointe: Wären es linke oder schwarze Angreifer gewesen, würde man heute über die Toten und Verwundeten debattieren."
Anhänger des scheidenden US-Präsidenten Trump waren am Mittwoch gewaltsam in das Kapitol in Washington eingedrungen. Auch Rohrbomben und Waffen wurden in der Nähe des Gebäudes gefunden. Die Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus zur Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden wurde für mehrere Stunden unterbrochen. Fünf Menschen starben infolge der Unruhen.