Washington, Frankfurt a.M. (epd). Kirchenvertreter aus aller Welt haben mit Erschrecken auf die gewaltsame Erstürmung des US-Kapitols in Washington durch Anhänger des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump reagiert. Der Erzbischof von Washington, Kardinal Wilton Gregory, nannte das US-Kapitol einen "heiligen Boden". "Wir Amerikaner sollten den Ort in Ehren halten, wo die Gesetze und Politik unserer Nation entschieden werden", sagte Gregory in einer in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichten Erklärung. Gregory ist der erste afroamerikanische Kardinal in der Geschichte der USA.
Trump-Anhänger waren am Mittwoch in das Kapitol eingedrungen, wo die Abgeordneten des Repräsentantenhauses und des Senats in einer gemeinsamen Sitzung den Wahlsieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl von Anfang November bestätigen sollten. Die Sitzung wurde für mehrere Stunden unterbrochen. Nach Medienberichten kamen bei der Erstürmung vier Menschen ums Leben.
Der Präsident der katholischen Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten, Erzbischof José Gomez, betonte, Amerikaner müssten den "Werten der Demokratie" verpflichtet sein. Auch der leitende Bischof der anglikanischen Episkopalkirche, Michael Curry, zeigte sich bestürzt. Der Ansturm habe die "Integrität unserer Demokratie" bedroht, sagte Curry. Bewaffnete Demonstranten hätten einen Staatsstreich versucht.
Auch unter evangelikalen Kirchenführern und Anhängern Trumps rief der Angriff Entsetzen hervor. Die Gewalttaten seien ein "Angriff auf die Demokratie", erklärte der Vorsitzende der konservativen "Koalition für Glauben und Freiheit", Ralph Reed. Trump müsse die Gewalt verurteilen, forderte James David Greear, Präsident des Südlichen Baptistenverbandes, der größten protestantischen Kirche in den USA. Der Präsident der Universität "Southern Baptist Theological Seminary", Albert Mohler, sagte, Trump sei verantwortlich für das Chaos. Mohler hatte vor der Präsidentenwahl erklärt, er werde für Trump stimmen. Megakirchenpastor Rick Warren verurteilte den Ansturm als Verrat und Terrorismus.
Der Geschäftsführer von Pax Christi USA, Johnny Zokovitch, machte Trump persönlich verantwortlich. Die Ereignisse seien das Ergebnis der Demagogie eines Mannes, Präsident Trump, und des Versagens all jener, die die hasserfüllte und spaltende Rhetorik entschuldigt, übersehen oder sogar ermutigt hätten, die seine Amtszeit geprägt habe. Die "hässlichen, beschämenden Vorfälle im US-Kapitol" seien das traurige, vorhersehbare Ergebnis dieser Zurückweisung von Verantwortung.
Auch international verurteilten Kirchenvertreter die Vorgänge rund um die Wahlbestätigung. Der Weltkirchenrat warnte vor ernsthaften Auswirkungen auf andere Länder. Das gewaltsame Vorgehen gegen die demokratischen Fundamente in den USA drohe weltweit Nachahmer auf den Plan zu rufen, erklärte der amtierende Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Ioan Sauca, in Genf. "Möge Gott Amerika mit Frieden und Versöhnung segnen", twitterte das geistliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche in England, Justin Welby, am Mittwochabend.
Diese Vorgänge müssten auch den Deutschen eine Warnung und Mahnung sein, sagte der rheinische Präses Manfred Rekowski dem epd und erinnerte an die Störaktionen durch Gäste der AfD, die im November Abgeordnete im Reichtagsgebäude bedrängt hatten. Im August hatten zudem Rechtsextremisten und andere Protestierende am Rande von Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen die Stufen des Reichstagsgebäudes gestürmt. Rekowski sprach von einer "erschreckenden Parallelität".
epd ege/her/igl/hei jup