Berlin (epd). Amnesty International reagiert enttäuscht auf die Weigerung der Welthandelsorganisation (WTO), den Patentschutz für Corona-Impfstoffe zeitweise zu lockern. "Das war ein Lackmus-Test für die viel beschworene globale Solidarität, die auch Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder betont hat", sagte Markus N. Beeko, Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Das spricht allen Bekenntnissen Hohn, dass die Pandemie international und fair bekämpft werden müsse, zumal Menschen in ärmeren Ländern stärker von Corona und seinen Folgen betroffen sind."
Die Lockerung des Patentschutzes hatten Indien, Südafrika und weitere Staaten beantragt, damit möglichst schnell große Mengen Impfstoff kostengünstig hergestellt werden könnten. Den von mehr als 100 Staaten unterstützten Vorschlag lehnen die USA, die EU-Staaten und Japan kategorisch ab. Er wurde am Donnerstag im Rat der WTO diskutiert, ohne dass ein formaler Beschluss gefasst wurde. Jedes der 164 Mitgliedsländer hat ein Vetorecht.
Im Moment fehlen laut Beeko noch Milliarden Euro, um eine weltweite Impfstoffversorgung sicherzustellen. "Es braucht mehr Geld und eine rasche Ausweitung der Produktion, wenn wir nicht die Erfolge bei den Entwicklungszielen zunichtemachen wollen, wenn wir nicht die Stabilität vieler Staaten im Süden der Welt, nicht ihre Demokratien gefährden wollen." Alle Staaten müssten die Möglichkeit haben, ihre Bevölkerung zu schützen und das öffentliche Leben wieder in Gang zu bringen. "Es ist offensichtlich, dass es bislang an wirklicher internationaler Solidarität fehlt", kritisierte der Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation.
"Sollte bei der WTO keine zeitweise Aufhebung des Patentschutzes beschlossen werden, bleiben die wohlhabenden Staaten trotzdem weiter in der Pflicht, eine Lösung vorzuschlagen, wie Menschen weltweit fair und gerecht je nach Bedürftigkeit mit Impfstoffen versorgt werden können." Es sei eine Herausforderung, rasch genügend Dosen herzustellen. Gerade deshalb brauche es gemeinsame weltweite Bemühungen und objektive Kriterien, wo und von wem Impfstoffe am dringendsten benötigt werden, innerhalb jeden Landes - und für jedes Land, nicht nur in Europa.
Beeko verwies auf die Reiselust der Menschen in Deutschland: "Ich möchte mir keine Welt vorstellen, in der Menschen in Europa geimpft sind, und wir dann darüber reden, wieder in Länder zu reisen, in denen wiederum die überwiegende Zahl von Menschen keinen Zugang zu Impfstoffen hat, auch die bedürftigsten nicht, auch Risikogruppen nicht." Ganze Gesellschaften wären dann in ihrem Zusammenhalt und ihrer Stabilität bedroht, warnte er. "Deshalb müssen wir von unseren Regierungen einfordern, dass ihren schönen Bekenntnissen zur Solidarität auch Taten folgen."