Berlin (epd). Der Bundestag hat am Mittwoch über die Strategie der voraussichtlich bald möglichen Impfungen gegen das Coronavirus diskutiert. Die FDP drang dabei weiter auf ein Gesetz, das die Reihenfolge der Verteilung festlegt. Es gehe um Leben und Tod und damit um Grundrechtsfragen, sagte der Abgeordnete Stephan Thomae. Über wesentliche Fragen von Grundrechtsrang müsse das Parlament entscheiden. Auch die Linke forderte eine Parlamentsbeteiligung. Vertreter der Koalition lehnten die Forderung auch mit Blick auf die dafür nötige Zeit ab.
Die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch sagte, Impfen sei Vertrauenssache. Vertrauen schaffe man nur mit Transparenz und demokratischer Willensbildung, sagte sie. Zudem bemängelte sie, dass der Faktor Armut in der bislang geplanten Priorisierung nicht berücksichtigt werde. Ärmere seien besonders stark von Covid-19 betroffen und würden häufiger im Krankenhaus behandelt.
Die bisherige von der Ständigen Impfkommission, der Wissenschaftsakademie Leopoldina und dem Deutschen Ethikrat entwickelte Impfstrategie sieht vor, dass Risikogruppen wie Hochaltrige und Beschäftigte im Gesundheitssystem mit Kontakt zu Covid-19-Patienten zuerst geimpft werden sollen. Die Priorisierung soll nach Plänen der Bundesregierung durch eine Rechtsverordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt werden. Thomae kritisierte dies als "Hauruck-Verfahren".
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte dieses Vorgehen. Das Verfahren sei transparent, sagte er mit Verweis auf die beteiligten Institutionen. Zudem gebe es einen großen Konsens in der Gesellschaft darüber, die besonders Verwundbaren und Gefährdeten zuerst zu impfen. Auch Abgeordnete von Union und SPD wiesen die Forderung nach einem Extra-Gesetz zurück. Die Gesundheitspolitikerin Karin Maag (CDU) verwies dabei auf die Zeit, die ein Gesetzgebungsprozess in Anspruch nehmen würde. Auch die SPD-Parlamentarierin Sabine Dittmar sagte, es werde kein weiteres Gesetz benötigt. Lötzsch entgegnete, der Bundestag habe oft bewiesen, wie schnell es möglich sei, Gesetze zu beschließen.
Die erste EU-Zulassung für einen Impfstoff gegen das Coronavirus könnte noch vor Weihnachten kommen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) teilte am Dienstag mit, dass sie am 21. Dezember über den Antrag für das Mittel von Biontech und Pfizer befinden will. Über die Zulassung entscheidet danach die EU-Kommission.
Weil zunächst nicht für die ganze Bevölkerung Impfdosen zur Verfügung stehen werden, wird derzeit über eine möglichst gerechte und zugleich effiziente Impfstrategie beraten, um Gefahren für Risikogruppen und eine weitere Verbreitung des Virus zu vermeiden. Die CDU-Politikerin Maag sagte, in diesem Jahr würden noch 400.000 Impfstoffdosen für Deutschland erwartet, im Januar voraussichtlich drei Millionen. Mit der Zulassung weiterer Impfstoffe könnte die Zahl auf elf bis 13 Millionen Dosen im ersten Quartal 2021 steigen.
Der Grünen-Politiker Janosch Dahmen warnte in der Bundestagsdebatte davor, den Beginn der Impfungen schon zum Sieg über das Virus zu erklären. Man sei noch lange nicht am Ende und müsse "realistisches Erwartungsmanagement" betreiben, sagte er. Zudem forderte er eine ehrliche Kommunikation auch über Nebenwirkungen. Spahn hatte am Mittwoch angekündigt, dass es zum Start der Impfung eine eigene App geben solle, mit der Geimpfte Nebenwirkungen übermitteln könnten. Der AfD-Abgeordnete Paul Viktor Podolay forderte, noch stärker an Therapien gegen Covid-19 zu forschen anstatt auf den Impfstoff zu setzen.