Erfurt (epd). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat es Online-Vermittlern von Handwerks- und Dienstleistungstätigkeiten schwerer gemacht. Wie die Erfurter Richter in einem am Dienstag verkündeten Urteil entschieden, können sogenannte Crowdworker, also Arbeiter, die auf einer Online-Plattform angebotene Kleinstaufträge ausführen, unter bestimmten Voraussetzungen als Arbeitnehmer des Plattformbetreibers gelten. (AZ: 9 AZR 102/20) Sie können dann als reguläre Arbeitnehmer etwa Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche verlangen.
Im Streitfall hatte der Kläger eine Vereinbarung mit dem Betreiber einer Crowdworking-Internetplattform geschlossen. Der Betreiber kontrolliert im Auftrag seiner Kunden die Präsentation von Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen. Der Auftrag wurde in Kleinstaufträge aufgeteilt und auf der Online-Plattform einzelnen Crowdworkern angeboten. Das System des Betreibers war so gestaltet, dass je mehr solcher "Mikrojobs" ein Crowdworker erledigte, desto mehr Aufträge konnten gleichzeitig angenommen werden.
Die auf der Plattform eingestellten Aufträge konnten dabei mithilfe einer App gesichtet und in einem selbst gewählten Radius von bis zu 50 Kilometern angezeigt werden. Bei Annahme eines Auftrags musste dieser regelmäßig innerhalb von zwei Stunden abgearbeitet werden. Der Kläger schaffte so innerhalb von elf Monaten 2.978 Aufträge und verdiente damit seinen Lebensunterhalt. Als der Plattform-Betreiber die Vereinbarung per E-Mail einfach kündigte, zog der Crowdworker vor Gericht. Es liege tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vor. Die per E-Mail ausgesprochene Kündigung sei unwirksam. Er machte zudem weitere Vergütungsansprüche geltend.
Das BAG bestätigte, dass hier der Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen war. Nicht jede Vermittlung von Arbeit führe jedoch zu einem Arbeitnehmerverhältnis. Hier sei die Arbeit aber so organisiert worden, dass der Kläger seine Tätigkeit nicht nach Ort, Zeit und Inhalt frei gestalten konnte. Der Portal-Betreiber habe ein Anreizsystem geschaffen, dass der Crowdworker in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes kontinuierlich Kontrolltätigkeiten in Supermärkten und Tankstellen erledigt. Der Kläger sei damit in "arbeitnehmertypischer Weise" weisungsgebunden und persönlich abhängig gewesen.
Allerdings könne der Kläger keine Weiterbeschäftigung verlangen. Denn der Portalbetreiber hatte vorsorglich ein mögliches Arbeitsverhältnis ebenfalls gekündigt. Diese Kündigung sei wirksam. Das Landesarbeitsgericht München muss nun noch einmal prüfen, welche Vergütungsansprüche dem Kläger noch zustehen.