Genf (epd). Die Schweizer entscheiden am Sonntag über eine schärfere Haftung von Unternehmen bei Auslandsgeschäften. Opfer von Menschenrechtsverstößen und von Umweltverschmutzung etwa in Afrika oder Lateinamerika sollen erstmals die Firmen in der Schweiz verklagen können, verlangt eine Volksinitiative mit Sitz in Bern. In der Eidgenossenschaft steht auch eine zweite Volksabstimmung über ein "Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten" an.
Sagen die Stimmbürger ja zu der sogenannten Konzernverantwortungsinitiative, müsste die Schweiz eines der weltweit schärfsten Lieferkettengesetze einführen. Dick Marty, Co-Präsident der Volksinitiative "Für verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von Mensch und Umwelt", betonte: "Wenn Konzerne Flüsse vergiften oder ganze Landstriche zerstören, dann sollten sie auch dafür haften." Hinter dem Vorhaben stehen Firmenskeptiker, die Grünen und die Sozialdemokraten. Auch der Rat der Evangelisch-reformierten Kirche unterstützt das Vorhaben.
Regierung, Parlament und Wirtschaftsverbände lehnen die Initiative ab. Widerstand kommt zumal von multinationalen Konzernen wie dem Rohstoffriesen Glencore. Sie befürchten eine Klagewelle gegen ihre Geschäftsaktivitäten, etwa im Bergbau. Meinungsforscher räumen der Initiative Siegeschancen ein.
Im Kern verlangen die Initiatoren, dass Schweizer Unternehmen prüfen, ob im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit die international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland eingehalten werden. Dabei müssten sie ihre eigene und auch die Tätigkeit ihrer Tochterunternehmen, Zulieferer und Geschäftspartner unter die Lupe nehmen.
Sie müssten gegen Unregelmäßigkeiten vorgehen und Bericht erstatten. Zudem sollen Schweizer Unternehmen für Schäden haften, die von ihnen kontrollierte Unternehmen verursachen. Schweizer Gerichte könnten über die Höhe von Schadensersatzzahlungen entscheiden. Bislang ist ausländischen Opfern von Verstößen gegen die Menschenrechte, etwa Kinderarbeitern, der Rechtsweg in der Eidgenossenschaft versperrt.
Regierung und Parlament präsentierten einen Gegenvorschlag zu der Konzernverantwortungsinitiative. Dieser Vorschlag sieht auch neue Pflichten zur Berichterstattung und Sorgfaltsprüfung vor. Verstöße werden mit Buße bestraft. Der Gegenvorschlag soll dann in Kraft treten, wenn die Schweizer die Konzernverantwortungsinitiative ablehnen.
Die Eidgenossen stimmen am Sonntag zudem über die "Kriegsgeschäfte-Initiative" ab. Die Pazifisten, die hinter dieser Initiative stehen, wollen der Rüstungsindustrie den Geldhahn zudrehen. Konkret sollen der Schweizerischen Nationalbank, Stiftungen sowie Vorsorge-Einrichtungen verboten werden, Rüstungsfirmen zu finanzieren, etwa durch Aktienkauf.
Als Kriegsmaterialproduzenten gelten demnach Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Rüstungsgütern erzielen. Zudem sollten sich die Schweizer Regierung und Parlament dafür starkmachen, dass "für Banken und Versicherungen entsprechende Bedingungen gelten". Regierung und Parlament sagen nein zu dem Plan. Laut Umfragen dürfte die Initiative an der Urne scheitern.